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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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einer
Schlinge. Die gleichen Besucher wie damals, die gleichen Körbe mit Essen. Und
von dort aus, wo sie stand, konnte Blanche einen Blick in die Männerstation
werfen, sah wie damals reihenweise Betten, in denen die gleichen
ausgemergelten, pflegebedürftigen Gestalten lagen.
    Die Sinne
drohten ihr zu schwinden. Als sie spürte, wie jemand sie am Arm fasste, schaute
sie auf die Hand, die sie stützte, hob dann die Augen zu einem
gutgeschnittenen, wenngleich besorgten und von echter Betroffenheit
gezeichneten Gesicht, das von schwarzem, an den Schläfen silbernem Haar umrahmt
wurde.
    Marcus.
    Sie
blinzelte. In Hemdsärmeln, ohne makellosen Gehrock hatte sie ihn noch nie
erlebt. Seine Krawatte hing lose herunter. Schatten bedeckten seine Kinnpartie.
Blanche erschrak, deutete Marcus' nachlässiges Äußeres doch an, dass die
Situation hier im Krankenhaus ernst war. Aber gleich darauf sagte sie sich,
dass dies seinen unermüdlichen Einsatz bewies und er alles tat, was nötig war,
ohne an sich selbst zu denken. Ein so beruhigender wie tröstlicher Gedanke.
    »Tut mir
leid«, flüsterte sie und drückte sich die flache Hand auf die Stirn.
    »Kommen
Sie mit in mein Sprechzimmer«, sagte er leise, und zu Hannah gewandt: »Bitte
kümmern Sie sich um unsere Besucher.«
    In
Iversons Sprechzimmer bemühte sich Blanche, ihre Fassung wiederzugewinnen. Sie
lehnte den Brandy ab, den Marcus ihr anbot, und als er sie bat, Platz zu
nehmen, blieb sie stehen und sagte: »Marcus, Hospitäler jagen mir Todesangst
ein! So, jetzt ist es raus, jetzt wissen Sie es.«
    »Das geht
vielen so«, sagte er beschwichtigend. »Deswegen braucht man sich doch nicht zu
schämen.«
    »Aber
meine Angst sitzt unglaublich tief. Sie lähmt mich.«
    Seine
dunklen Augen schauten sie besorgt, aber auch erwartungsvoll an. Dafür
spiegelte sich zu Blanches Erleichterung
keinerlei Enttäuschung in ihnen, keinerlei Missbilligung oder eine
unausgesprochene Schuldzuweisung. Im Stehen und um Haltung bemüht, schilderte
sie den Zwischenfall in ihrer Kindheit. »Und das ist der Grund«, schloss sie,
»weshalb ich den Rundgang durch Ihr Hospital mit dem Spendenaufruf nicht
organisieren konnte. Ich brachte es nicht über mich, auch nur einen Fuß in
dieses Gebäude zu setzen. Wie ein Feigling komme ich mir vor.«
    Er trat
auf sie zu. »Und dennoch sind Sie jetzt hergekommen«, sagte er leise.
    »Als
besonders mutig kann man das wohl nicht bezeichnen.« Er lächelte. »Man beweist
keinen Mut, wenn man keine Angst hat.«
    »Marcus,
ich hätte Ihnen gegenüber ehrlich sein sollen, aber es kam mir so dumm vor, und
ich wollte nicht, dass Sie schlecht von mir denken. Ich weiß doch, wie viel
Ihnen Ihr Hospital bedeutet, und ich habe Sie derart vor den Kopf geschlagen,
Marcus. Ich ahnte ja nicht, wie sehr ich Sie mit meiner Absage, die
Besichtigung zu organisieren, gekränkt habe. Und dass meine Teilnahme daran so
wichtig war.«
    »Das war
sie. Sie verstehen sich auf Organisation, und ich war mir sicher, dass diese
Begehung unter Ihrer Schirmherrschaft erfolgreich gewesen wäre.« Als er jetzt
seine Hände auf ihren Arm legte, überlief sie ein wohliger Schauer. Mit einem
Mal schien das Sprechzimmer warm und traulich, das Hospital samt seinen
Schrecken meilenweit weg. »Blanche, ich habe mich idiotisch
verhalten! Ich habe mir eingebildet, Sie hätten mich mit Ihrer Weigerung,
meinem Hospital zu helfen, brüskieren wollen, aber in Wirklichkeit verhielt es
sich so, dass ich unglaublich wütend war, als ich tags darauf erfuhr, dass Sie
sich bereiterklärt hatten, Clarence Beechworth
für die öffentliche Unterstützung seiner Eisenbahn zu helfen. Das heißt, ich
war schlicht und einfach eifersüchtig. Wie Männer eben so sind. Ich habe mich
Ihnen gegenüber ungerecht und abscheulich verhalten. Ich weiß nicht, wie Sie
mir je verzeihen können.«
    »Ich hätte
Ihnen meine Ängste offen eingestehen sollen.« Seine Nähe, seine Hände auf ihrem
Arm raubten ihr den Atem. Marcus, der sie um Haupteslänge überragte, schaute
mit dunklen, brennenden Augen auf sie nieder, sein schwarzes Haar glänzte im
Licht der Lampe. Blanche war, als würden ihr erneut die Sinne schwinden,
wenngleich diesmal aus einem ganz anderen Grund.
    »Und ich
hätte dem nachgehen sollen«, brach es aus ihm heraus, »aber mein Stolz verbot
mir, Sie nach dem Grund für Ihre Absage zu fragen.« Er senkte die Stimme, der
Druck seiner Hände verstärkte sich. »Unsere Freundschaft, meine liebe Blanche,
hat mir

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