Wood, Barbara
sie ihre Handbücher über die Krankenpflege
schreiben. Hier würden sie zu Hause sein.
Farmarbeiter
waren mit Schafen und Pferden beschäftigt und arbeiteten auf den Feldern, aber
es gab keine Spur von Samson Jones, dem Grundstücksmakler. Neal vermutete ihn
in der Region der Goldminen, auf der Suche nach dem Eigentümer von Brookdale,
Charlie Swanswick, und überlegte kurz, ob er einen Umweg machen und auf eigene
Faust nach Swanswick Ausschau halten sollte.
Dann aber
dachte er an die Höhle der Hände. Er hätte längst dort sein müssen. Zu dumm,
dass sein Wagen unterwegs mit einem Rad in ein Schlagloch gerumpelt und
infolgedessen die Achse gebrochen war. Er hatte es zwar geschafft, sie zu
reparieren, es danach aber für vernünftiger gehalten, die Nacht über ein Lager
aufzuschlagen, anstatt im Dunkeln auf einer Straße weiterzufahren, die
möglicherweise mit neuerlichen unliebsamen Überraschungen aufwartete. Außerdem
hatte er sich die Brookdale Farm ansehen wollen. Noch unentschlossen, ob er
sich ein paar Tage Zeit nehmen und Charlie Swanswick suchen sollte oder ob es
nicht doch besser war, angesichts der bereits vergeudeten Zeit schleunigst zu
den Höhlen aufzubrechen, hörte er ein Pferd über die baumgesäumte Straße
näherkommen.
»He, Sie
da!«, rief da bereits der Reiter.
Neal trat
von seinem Wagen zurück und winkte freundlich.
Der Fremde
brachte sein Pferd zum Stehen. »Geht's hier nach Bendigo?«
Neal
bemerkte, dass der Mann zusammengerolltes Bettzeug mit einer Spitzhacke und
einer Schaufel darin hinter dem Sattel befestigt hatte. »Immer so weiter, in
Richtung Norden. Bis Sonnenuntergang erreichen Sie die ersten Lager.«
»Danke,
Kumpel.«
Der Mann
machte bereits Anstalten, weiterzureiten, als Neal sagte: »Wie wär's mit 'nem
Becher Tee? Ich wollte gerade welchen machen.«
»Danke,
aber ich bin in Eile. Hab erfahren, dass Goldgräber zu einem Höhlengebiet im
Norden der Goldminen unterwegs sind, dorthin, wo der Wald beginnt. Angeblich
gibt's dort reiche Quarzformationen. Muss da so
schnell wie möglich hin, sonst bleibt für mich nichts mehr übrig.« Er musterte
die Ausrüstung auf Neals Wagen. »Und Sie? Wohin sind Sie unterwegs? Was Sie da
mitschleppen, sieht mir nicht nach Arbeitsgerät für die Minen aus.«
Neal war
mit dem neuesten fotografischen Zubehör aus Deutschland ausgestattet, mit
Linsen und Platten, mit denen man unter Verwendung von sogenanntem
Blitzlichtpuder auch bei Dunkelheit Aufnahmen machen konnte. Zufällig will ich,
sagte sich Neal, zu genau denselben Höhlen, die du und die Goldgräber drauf und
dran sind zu verwüsten. »Ich fotografiere hier in der Gegend Stätten, die den
Aborigines heilig sind.«
Der Mann
rieb sich die Nase und lachte. »Na, das nenn ich Ironie des Schicksals! Sie
kommen den weiten Weg hierher, um Abos zu fotografieren, während eine Horde von
diesen Burschen gerade Melbourne unsicher macht.«
Neal
glaubte nicht recht gehört zu haben. »Eingeborene in der Stadt? Ich dachte,
damit sei es vorbei.«
»Ist es auch.
Sie halten sich wohlweislich fern. Aber diese Bande da sieht zum Fürchten aus,
so als kämen sie aus dem tiefsten Outback. Grimmige Kerle. Etwa hundert an der
Zahl, allesamt bewaffnet. Sie fordern ihren heiligen Grund und Boden zurück.«
Galagandra,
durchfuhr es Neal. »Wo?«, fragte er. »Welchen heiligen Grund und Boden meinen
Sie?«
»Das
Hospital.«
»Das
Victoria Hospital?«
»Genau
das. Soviel ich weiß, haben sie es umzingelt. Drohen damit, es abzufackeln, mit
Mann und Maus. Ich muss jetzt
weiter. Viel Glück für Ihre Bilder.«
Ohne einen
weiteren Gedanken an die heilige Höhle und die zerstörerischen Goldgräber zu
verlieren, lenkte Neal seinen Wagen durch das Eingangstor der Brookdale Farm
und stellte ihn im Schatten von Bäumen ab. Dann spannte er das Pferd aus und
ließ es grasen, schwang sich auf sein gesatteltes zweites Pferd und hoffte nur,
dass seine Kisten und Vorräte von der Straße aus nicht entdeckt wurden. Aber
selbst wenn alles gestohlen würde, wäre das nicht weiter tragisch. Wichtiger
war ihm, so schnell er konnte nach Melbourne zurückzukehren.
Hannah war
in Gefahr.
49
»So viele
Leute. Das gefällt mir nicht«, meinte Dr. Iverson, als er zusammen mit Fintan
durch die glaseingefassten Türen des Haupteingangs spähte. Annähernd hundert
Menschen waren an diesem Spätnachmittag - die Sonne versank eben hinter Melbournes
höchsten Gebäuden - vor dem Hospital zusammengelaufen.
Seit
Weitere Kostenlose Bücher