Wood, Barbara
beneiden.«
»Ach
Fintan ...«
»Liebste
Alice«, raunte er und legte seine Hand hinten an ihren Kopf.
Mit Tränen
in den Augen sah sie zu ihm auf und erwiderte seinen Kuss - ihr erster
wirklicher Kuss, ein langer Kuss, der leidenschaftlicher und gefühlvoller
nicht sein konnte.
»Du
inspirierst mich«, sagte Fintan voller Überschwang, »herrliche Dinge zu
erschaffen, Alice Star. Ich möchte deine anmutige Schönheit aus dem edelsten
Holz schnitzen, das es gibt, auf dass sie ewig währt und Zeugnis von meiner
großen Liebe zu dir ablegt.«
Wieder
küssten sie sich lange, ihre aneinandergeschmiegten Gestalten verschmolzen im
Mondlicht zu einem einzigen Schatten auf dem Gartenpfad. So leidenschaftlich
gaben sie sich ihrer neu erwachten Liebe und ihren Sehnsüchten hin, dass sie
die Gestalten nicht bemerkten, die sich unweit von ihnen im Dunkeln bewegten -
die »Heimsucher« dieses heiligen Ortes, die dem Liebespaar im Garten keine
Beachtung schenkten.
Kalkweiße
Erscheinungen, gespenstische Körper, die sich mit Bumerangs, Woomeras und
tödlichen Speeren lautlos anschlichen und auf das steinerne Gebäude zuhielten.
Als Fintan
und Alice schließlich doch merkten, dass sie nicht allein waren, fuhren sie
auseinander und starrten auf die geheimnisvolle Prozession, die an ihnen
vorbeizog, eine gespenstische, schweigende Parade hochgewachsener,
schmalgliedriger Menschen mit Gesichtern so schwarz wie die Nacht, die Körper
kalkweiß bemalt. Geschmückt mit Federn und Steinen, Tierzähnen und Perlen,
schienen die Aborigines einer anderen Welt zu entstammen, einer anderen Zeit.
Den Blick unbeirrt vorwärtsgerichtet, zogen sie dahin, ohne das junge weiße
Paar, das regungslos dastand und sie erschauernd beobachtete, zur Kenntnis zu
nehmen oder zu bemerken. Alice, die Eingeborene bislang nur auf Abbildungen
gesehen hatte, fand, dass solche Abbildungen ihnen nicht gerecht wurden. Eine
übernatürliche Kraft ging von den dunklen Gestalten mit der uralten Geschichte
und den tiefliegenden Augen unter den dichten Brauen aus. Ihr Schweigen war
beunruhigend, ihre stete Vorwärtsbewegung auf den Eingang des Hospitals zu
bedrohlich. Was um alles in der Welt hatten sie hier zu suchen?
Fintan
dachte an die besorgten Weißen, die sich vor dem Hospital versammelt hatten,
und erinnerte sich daran, dass Alice gesagt hatte, auf diesem Grund und Boden
laste ein Fluch der Aborigines. »Das scheint nichts Gutes zu verheißen«, sagte
er. »Wir sollten schleunigst zurückgehen und die anderen warnen.«
48
Die
Brookdale Farm entsprach genau Hannahs Beschreibung,
bis hin zu der kleinsten Kleinigkeit.
Neal ließ
den Anblick dieses herrlichen Anwesens im Outback auf sich wirken, das sich
unter einem endlosen blauen Himmel und der mittäglichen Sonne über sanfte Hügel
und flache Felder erstreckte. Er lauschte dem Wind, sog tief den Duft der
Eukalypten ein und fühlte sich zurückversetzt an einen Billabong inmitten von
rotem Sand und niedrigen Bergen. Er schaute auf die weißborkigen
Schnee-Eukalypten von Brookdale und sah im Geiste von anderen Schnee-Eukalypten
silbrige Blätter auf jenen weit entfernten Billabong rieseln. Er dachte an
Burnu und Daku und erinnerte sich wieder an den Geschmack von Kängurufleisch.
Er hörte Thumimburees Didgeridoo und gedachte der vor Urzeiten an eine
rostfarbige Felswand gemalten Gestalten.
Ihr Name war Jallara, und sie verkörperte die wahre Seele dieses Landes.
Hannahs Buch, Dieses goldene Land, dessen
Autor »ein Sohn des Outback« war, fiel ihm ein. Ich muss dies hier fotografieren, sagte er sich, als er um das Anwesen herumging,
vor dem noch immer an einem Pfosten das Schild »zu verkaufen« hing. Ich muss andere, ähnliche Farmen fotografieren, außerdem solche Flüsse und
Berge, von denen in Hannahs Geschichten
die Rede ist, auch solche Koppeln und Felder und Unterstände für die Schafschur.
Dann können wir eine Neuauflage der Geschichten herausbringen, diesmal mit
Fotos, und den Lesern ein umfassendes Bild von Australien vermitteln.
Als er das
Haus mit dem steilen Satteldach und der umlaufenden breiten Veranda in
Augenschein nahm, stellte er sich bereits die Aufteilung der Räume vor - wo er
das Fotoatelier einrichten wollte und wo die Dunkelkammer; er meinte direkt
schon, die mit seinen Fotografien ausgeschmückte Eingangshalle vor sich zu sehen
und auch Hannahs Privatpraxis
- am zweckmäßigsten wohl gleich neben dem Kinderzimmer, damit sie auf Abruf
bereit sein konnte. Hier würde
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