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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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aussetzte,
das durch das Bullauge drang. Jetzt hieß es, zehn Minuten zu warten.
    Gespannt
verfolgte Hannah, wie Neal, angetan mit einer Schutzbrille, Gummihandschuhen
und einer Gummischürze, den Glasrahmen auf ihrem Schiffskoffer absetzte, wo das
Licht am intensivsten war. Auf ihren fragenden Blick hin begründete er seine
Verkleidung: »Chemikalien, wie sie beim Belichtungsprozess verwendet werden,
können ziemlich aggressiv, ja sogar gefährlich sein.«
    Nach
erfolgter Belichtung suchte Neal mitsamt dem Rahmen schleunigst wieder seine
Kabine auf, während Hannah nach Donny sah und dort das Ergebnis ihres
heimlichen Treibens abwartete.
    Bei
geschlossener Kabinentür, um kein Licht von draußen eindringen zu lassen,
schwenkte Neal das Positiv durchs Wasser, trug eine Schicht Gallussäure und
Silbernitrat auf, tauchte es dann in ein Bad mit Natriumhyposulfit. Als er
damit fertig war, entledigte er sich seiner Brille und der Handschuhe, tupfte
vorsichtig die Fotografie ab und hielt sie, nachdem er sein von Salzwasserspuren
fleckiges Bullauge hochgestemmt hatte, ans Licht. Was er sah, verschlug ihm den
Atem.
    Die
Fotografie war vollendet gelungen.
    Ganz
objektiv überprüfte Neal die Einzelheiten. Das Zusammenspiel von Schatten und
Licht war durchaus zufriedenstellend, und dass nichts verschwommen war und sich
der Grad der Körnigkeit in Grenzen hielt, höchst erfreulich. Mitsamt der
Fotografie begab er sich in die Krankenkammer, wo Miss Conroy Donny einmal
mehr kleine Schlucke Wasser verabreichte. Als sie damit fertig war, erhob sie
sich und sah ihn erwartungsvoll an.
    Er hielt
ihr die Aufnahme hin. »Was sagen Sie dazu, Miss Conroy?«
    Mit großen
Augen starrte sie auf das Bild. »Mr. Scott«, stieß sie aus, »ein Wunder ist das
ja!«
    Er
lächelte. »Nun, es ist schon ein gelungenes Bild.«
    »Ein
gelungenes Bild?« Wie verzaubert schaute sie ihn mit ihren grauen Augen an.
»Mr. Scott, das ist das Schönste, was ich je gesehen habe. Ich wusste gar
nicht... Wie friedlich der Junge aussieht. Man käme nie auf die Idee, dass er
so krank ist. Mr. Scott, ich sag's nochmals:
Sie haben ein Wunder vollbracht!«
    Für Neal
war es ein eher wissenschaftliches Experiment gewesen, keinesfalls ein Wunder.
Als er abermals auf das Abbild von Donny Ritchie blickte,
sah er, was Miss Conroy sah: ein engelsgleiches Gesichtchen, die Augen zu
friedlichem Schlummer geschlossen, das jungenhaft verstrubbelte Haar, das ihm
über die Stirn fiel. Weil die Kalotypie ein Verfahren war, das im Ergebnis
nicht die Schärfe aufwies wie eine Daguerreotypie, war Donny Ritchie in einen milden Schein gehüllt, der zu den Rändern hin verschwamm, so
dass es aussah, als schwebe er auf einer Wolke. Der Pullover sah nicht
ramponiert und verschlissen aus, sondern weich und flauschig wie Lammfell.
    »Wunderbar,
Mr. Scott!«, wiederholte Hannah, und ihr Lächeln wie auch ihr strahlendes
Gesicht brachten ihn schier aus dem Gleichgewicht. Sein Herz pochte ihm bis in
die Kehle hinauf. Wie ein süßer Regen ergoss sich ihre Begeisterung über ihn,
und ihm wurde bewusst, dass er sich zum ersten Mal seit Jahren wieder rundum
glücklich fühlte.
    Unvermittelt
drang vom Deck her lautes Geschrei an ihr Ohr. Mr. Simms, der Kabinensteward,
tauchte im Gang auf und erzählte ihnen, dass Mrs.
Ritchie völlig außer sich sei und derart schreie, dass man sie an
Deck geschafft und sie dort hingebettet habe. Ihr Jammern indes stachle die
Auswanderer umso mehr auf. »Der Kapitän hat Waffen ausgegeben, auch an mich,
dabei habe ich zeit meines Lebens noch nie einen Pistolenschuss abgefeuert!«
    »Wir
könnten die Zeit nicht besser genutzt haben«, raunte Neal Hannah zu. »Sollen
wir Mrs. Ritchie gleich mal diese Fotografie
zeigen?«
    »Aber ja
doch! Sie gehen zu
ihr. Sie haben das Wunder vollbracht, Mr. Scott. Ich bleibe bei Donny.«
    Zwei
Seeleute auf dem Achterdeck wollten Neal den Weg versperren. Zu seiner eigenen
Sicherheit, wie sie sagten. Aber er ließ sich nicht zurückhalten, bahnte sich
den Weg hinunter zum Hauptdeck, durch die Menge hindurch bis dorthin, wo
Kapitän Llewellyn einer
Gruppe aufgebrachter Männer gegenüberstand.
    »Wegtreten,
ihr Unruhestifter, oder ich lege euch alle in Eisen.«
    »Uns
einsperren? Wir sind mehr als zweihundert Leute!«, kam es zurück. »Das schaffen
Sie doch gar nicht!« Und mit geballten Fäusten wurde gefordert: »Wir wollen
wissen, was Sie gegen die Ansteckungsgefahr unternehmen.«
    »Kapitän
...«, hob Neal an.
    »Sie haben
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