Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
Vom Netzwerk:
in den Falten des Lakens verbarg.
Sowohl Hannah wie auch Neal bereitete bei ihren Vorbereitungen insgeheim
Sorge, was passieren könnte, wenn ihre guten Absichten fehlschlugen. Was, wenn
ein fotografisches Bild ihres Kindes bei Mrs. Ritchie eine
derartige Hysterie auslöste, dass sich das Hauptdeck in ein Schlachtfeld
verwandelte?
    Obwohl
Neal vollauf damit beschäftigt war, die Kamera am Fußende der Koje zu
stabilisieren, entging ihm nicht, wie sich Hannahs schlanke Gestalt über das Kind beugte, wie sie ihm mit einer
zärtlichen Geste den Puls fühlte, in seinem Gesicht forschte, seinen kaum
wahrnehmbaren Atemzügen lauschte. Ihr Haar hatte sich auf einer Seite gelöst,
fiel ihr über die Schulter und ließ sie ein wenig derangiert aussehen, was
seltsamerweise direkt erotisch wirkte.
    fetzt
klappte Neal die horizontale Glasscheibe im Bullauge hoch, um das Tageslicht
einzulassen. Er warf Hannah einen Blick zu. Sie nickte. Beide waren bereit.
    Aus seinem
Vorrat an Fotopapier, den sich Neal in London zugelegt hatte und unter der
Koje in seiner Kabine verstaute, hatte er bereits ein Blatt mit Gallussäure und
Nitrat bestrichen und dann in einen hölzernen Rahmen gespannt, den er jetzt
hinten in das große Kameragehäuse schob. Nun bewegte er den hinteren Teil der
Kamera so lange hin und her, bis sich im Sucher Donnys Gesicht abzeichnete. Als
Nächstes nahm Neal die Verschlussklappe aus Messing vor der Linse ab und sah
auf seine Taschenuhr. Fünfzehn Minuten würde die Aufnahme in Anspruch nehmen.
    Hannah
ließ Donny nicht aus den Augen. Sie hoffte inständig, nichts zu tun, was sich
nachteilig für ihn auswirken konnte. Waren fünfzehn Minuten, in denen er kein
Wasser bekam, etwa zu lange? Sie gestand sich ein, dass sie Angst hatte. Und
die Stille in der engen Kabine steigerte diese Angst noch mehr. Sie schaute zu
Neal Scott hinüber, der den Blick auf seine Uhr richtete. »Ihre Mutter scheint
Ihnen sehr nahezustehen«, merkte sie an.
    Sein Kopf
fuhr hoch. »Wie bitte?«
    »Weil Sie
sich so viel Mühe machen, um Mrs. Ritchie zu besänftigen.
Sie erwähnten, sie habe etwas gesagt ... vielleicht etwas, womit sie Sie an
Ihre eigene Mutter erinnert hat.«
    Er starrte
sie an, spürte, wie um ihn herum das Schiff knirschte und ächzte, spürte, wie
es hin und her schaukelte, während mit jeder Minute, die verstrich, im Inneren
des Kameragehäuses Donnys Gesichtszüge festgehalten wurden. Würde er es über
sich bringen, Miss Conroy die Wahrheit zu sagen?, überlegte er. Wenn ich mich Annabelle eher anvertraut hätte, wäre es dann anders
gekommen?
    Wäre
Annabelle die Wahrheit bekannt gewesen, ehe Neal um ihre Hand anhielt, dann
hätte sie ihm nicht den Verlobungsring vor die Füße geworfen, und ihr Vater hätte
ihn nicht wegen Bruch eines Eheversprechens und Rufschädigung seiner Tochter
verklagt, und die ganze hässliche Geschichte, die für Neals Gönner Josiah
Scott so beschämend und peinlich gewesen war, wäre nie passiert.
    Er sah
Hannah an, die auf dem Kabinenboden neben Donnys Bett kauerte und ihn mit
diesen von dunklen Wimpern und zart geschwungenen Brauen gerahmten
perlmuttfarbenen Augen unverhohlen anschaute ...
    Auf einmal
empfand Neal es als ungemein wichtig, Miss Conroy offen und ehrlich Rede und
Antwort zu stehen. »Eine enge Beziehung zu meiner Mutter habe ich nicht, Miss
Conroy«, stellte er richtig. »Ich weiß nicht einmal, wer meine Mutter war. Ich
bin ein Findelkind.«
    Er legte
eine kurze Pause ein, damit Miss Conroy die Tatsache verdauen konnte, dass er
ihr gerade auf höfliche Art zu verstehen gegeben hatte, dass er ein Bastard
war.
    »Verstehe«,
sagte sie leise.
    Neal warf
erneut einen Blick auf seine Taschenuhr. »Vor fünfundzwanzig Jahren kam ein
junger Anwalt namens Josiah Scott aus seiner Kanzlei in Boston nach Hause und
sah eine Wiege vor seiner Haustür stehen. Eine kunstvoll aus Eichenholz
gefertigte Wiege mit Verdeck. Ich war wenige Tage alt und in ein Taufkleid aus
weißem Satin gehüllt, das mit einer perlendurchwirkten Spitze gesäumt war. Ein Briefchen
lag bei, mit dem Josiah Scott gebeten wurde, mich in einer liebevollen Familie
unterzubringen. Da Josiah Scott jedoch meinte, derjenige, der mich da
ausgesetzt hatte, könnte es sich vielleicht anders überlegen und zurückkommen,
behielt er mich bei sich. Aber Wochen und Monate vergingen, ohne dass jemand
nach mir fragte, und während dieser Zeit entwickelte Josiah Scott Zuneigung zu
mir. Er zog mich auf, dann adoptierte er mich und

Weitere Kostenlose Bücher