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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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nichts zu suchen, Mr. Scott.«
    Neal
drängelte sich durch zu Mrs. Ritchie, kniete
neben ihr nieder und hielt ihr die Fotografie hin. Die Menge verstummte. Was
hatte der Gentleman da vor?
    Agnes wischte
sich die Augen und schaute mit gerunzelter Stirn auf das Papier, auf dem
irgendetwas abgebildet war. Sie blinzelte, sah genauer hin, und dann breitete
sich auf ihrem Gesicht maßlose Verblüffung aus. Sie öffnete den Mund, ihre
Augen wurden kugelrund, ihre verhärmten Züge glätteten sich. »Aber ...«, flüsterte
sie und griff nach der Fotografie, »das ist ja mein Donny.« Fragend blickte sie
Neal an. »Wie haben Sie das gemacht, Sir?«
    »Man nennt
so etwas eine fotografische Aufnahme, Mrs. Ritchie. «
    Agnes sah
sich das Bild ganz genau an. »Wie friedlich er aussieht. Als ob er gar nicht
krank wäre.«
    Man half
Agnes, sich aufzurichten, und gleich darauf umringte man sie, um einen Blick
auf das Bild zu erhaschen. Schon wanderte das Konterfei von Hand zu Hand,
wurde mit überschwänglichem Lob bedacht. Viele, die noch nie eine fotografische
Aufnähme gesehen hatten, drehten das dicke Papier um, wollten ergründen, wie
das Bild entstanden war.
    Lächelnd
verfolgte Neal, wie das Porträt die Runde machte und dann wieder bei Agnes Ritchie landete, die sich an Donnys Gesicht nicht sattsehen konnte. Die
allgemeine Begeisterung und Freude wärmte ihm das Herz wie schon lange nicht
mehr.
    »Gott
segne Sie, Sir«, sagte Agnes Ritchie schließlich
mit ihrem breiten schottischen Akzent. »Jetzt weiß ich, dass es mein Donny
schafft. Schaun Sie doch mal, wie gesund er hier aussieht. Ihnen, Sir, ist ein
Platz im Himmel gewiss, das steht für mich fest.«
    Mit
Zurückhaltung ließ Neal die Lobpreisungen über sich ergehen, auch die von
Kapitän Llewellyn, der
erleichtert feststellte, dass die Gefahr einer Meuterei fürs Erste wohl
abgewendet war. Allerdings, knurrte er, hänge das noch immer davon ab, ob der
Junge überlebte oder nicht. Eilig begab sich Neal wieder an Donnys Krankenbett,
um Hannah die Nachricht vom Erfolg ihrer Mission zu überbringen. Er traf dort
Dr. Applewhite an, der eben zu Hannah meinte, sie könne jetzt gehen - wogegen
sie sich vehement sträubte -, worauf sich Applewhite seinerseits nach erfolgter
Untersuchung seines kleinen Patienten zu einer wohlverdienten Ruhepause in
seine Kabine zurückzog.
    Neal
brachte Hannah einen kleinen Holzstuhl, den sie jedoch zurückwies. »Dafür ist
kein Platz.«
    »Aber Sie
können doch nicht die ganze Nacht auf dem Boden hocken, Miss Conroy.«
    »Das geht
schon, Mr. Scott.«
    Er ging
und kehrte gleich darauf mit zwei Kissen aus seiner Kabine zurück. »Dann
setzen Sie sich zumindest hier drauf.« Dieses Angebot nahm Hannah dankend an,
drückte sich die Polster zu einem bequemen Sitz zurecht, nahm, die perlgrauen
Röcke um sich herum breitend, darauf Platz.
    Neal
setzte sich auf den Stuhl, der jetzt im Türrahmen stand, und beobachtete, wie
Hannah ihr Ohr an Donnys Brust legte, wo sie sein Herz hören konnte, das wie
ein kleiner Spatz flatterte, der in die Freiheit zu entkommen suchte.
    »Wie
stehen seine Chancen?«, fragte Neal leise und lauschte dem Hämmern seines
eigenen Herzens, überwältigt von Gefühlen, die er kaum verstand und nicht zu
beherrschen wusste. Mrs. Ritchie hatte
etwas in ihm angerührt - das heißt erst Mrs. Ritchie und jetzt
Hannah Conroy, die so hingebungsvoll Donny beistand. Neal Scott,
Wissenschaftler und Forscher, ein Mann, für den alles im Universum messbar,
begrifflich bestimmbar und nach Kategorien zu ordnen war, gelang es nicht, die
verstörenden Gefühle, die ihn heute übermannt hatten, zu analysieren.
    »Dr.
Applewhite zufolge sind die nächsten Stunden entscheidend«, merkte Hannah an.
»Wenn es mir gelingt, Donny so oft wie möglich zu wecken und ihn dazu zu
bewegen, etwas zu trinken, ist er morgen früh über den Berg. Leider zeigen die
Riechsalze bei ihm zusehends weniger Wirkung. Seine Lungen gewöhnen sich
offenbar an die chemische Reizung.«
    Es fing an
zu dämmern. Simms, der Steward, brachte Neal und Hannah ein Abendessen,
bestehend aus Würstchen, Kartoffeln und Erbsen, dazu Wein und Brot und Butter.
Nachdem er sich nach dem Befinden des Jungen erkundigt hatte, berichtete er von
den anderen an Ruhr Erkrankten im Zwischendeck. Alles weniger gravierende
Fälle, die wohl durchkommen würden, meinte er. Mit dem vieldeutigen Zusatz
»Einzig und allein der Junge macht uns Sorgen« verließ er sie wieder.
    Als es
dunkel wurde,

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