Wood, Barbara
bin gekommen, um Sie zu
bitten, keine weiteren Schmähbriefe über Miss Conroy zu verbreiten. Ich halte
es für das Beste, sie zu verbrennen.«
»Was ...«
Noch ehe
Lulu reagieren konnte, hielt Alice das Zündholz an die Umschläge und wischte
das brennende Papier vom Tisch. Es landete auf dem Boden, am Saum von Lulus
kostbarem Morgenrock. Als Lulu sich bückte und mit dem Ausruf »Da schau nur, was
du angerichtet hast, du dummes Ding!« auf die Flammen klopfte, um sie zu
ersticken, strich Alice ein weiteres Zündholz an und ließ es auf den
Seidenstoff fallen, der sich um Lulus Elefantenbeine bauschte.
»Hör auf
damit, du wahnwitziges kleines Biest!« Ein weiteres Zündholz, und noch mehr
Seide fing Feuer. Lulu klatschte sich auf die Schenkel und stampfte mit den
Füßen, und gleichzeitig schrie sie: »Kipp Wasser über mich!«
Aber Alice
sah seelenruhig mit an, wie die Flammen höher schlugen und Lulu einhüllten und
sich knisternd und knackend der Geruch von brennender Seide verbreitete.
»So hilf
mir doch!«, schrie die Bordellwirtin, die sich nach und nach in eine Feuersäule
verwandelte, mit abstehendem roten Haar und mit den Armen rudernd wie die
Flügel satanischer Engel. Sie stolperte auf Alice zu, die einen Schritt
zurückwich, ohne den Blick von dem entsetzten Gesicht ihres Gegenübers zu
lösen, das allmählich dunkel wurde, während sich dem weit aufgerissenen Mund
ein seltsam wehklagender Laut entrang. Zusammen mit Fetzen von Spitze und
Fleisch sank Lulu, bis zur Unkenntlichkeit verschmort, auf den gefliesten
Boden.
Erst jetzt
eilte Alice aus der Küche, schlug die Tür hinter sich zu und verriegelte sie
von außen. Noch immer Lulu Forchettes Hilfeschreie im Ohr, flüsterte sie: »Ich
musste dir Einhalt gebieten. Ich konnte nicht zulassen, dass du Miss Conroy
oder einem anderen weiterhin zusetzt. Und du täuschst dich, Lulu. Ich werde es zu etwas bringen. Ich werde mein entstelltes Gesicht
mit Schminke abdecken, so wie Schauspielerinnen dies tun und dennoch hoch
angesehen sind. Und vielleicht kann ich mich ja dazu überwinden, vor einem
Publikum zu singen, das haben mir die Auftritte vor den Mädchen bei Mrs.
Throckmorton deutlich gemacht.« Als sie beobachtete, wie Rauch unter
der Tür hervorquoll, ohne dass das schaurige Wehklagen aufhörte, fügte sie noch
hinzu: »Möge Gott dir vergeben.«
Während
sie auf der von Bäumen gesäumten Straße zurück nach Adelaide ging, in den Ästen
über ihr Kookaburras ihr
keckerndes Lachen hören ließen, Schafe in nahen Pferchen blökten und am blauen
Winterhimmel flauschige weiße Wolken sowie, im Formationsflug, Kakadus
dahinzogen, stapfte Alice über die rote Erde von Südaustralien und spürte, wie
neue Kraft durch ihre Glieder und ihren Leib strömte. Sie reckte das Kinn und
sog tief die frische Luft ein, auf dass sich ihre Lungen mit neuer Hoffnung
und neuem Mut füllten, ungeachtet der qualvollen Schreie, die weit hinter ihr,
von Eukalyptusbäumen abgeschirmt, zum Himmel stiegen und dann allmählich
verstummten.
10
Es war
August und somit Winter geworden, kalter Regen ging über Adelaide nieder.
Hannah und Alice, die sich mit Schirmen und in bereits klammen Capes durch die
Nässe vorwärtsmühten, begannen sich zu fragen, ob es vernünftig gewesen war,
sich bei solchem Wetter ins Freie zu wagen. Aber angesichts ihrer Situation
blieb ihnen nichts anderes übrig.
Ihre
Geldmittel waren fast völlig erschöpft. Mit der Miete für ihr Hotel waren sie
im Rückstand und keine der beiden hatte auch nur im Entferntesten Aussicht auf
eine Anstellung. Diese missliche Situation war es, die sie in den Winterregen
hinausgetrieben hatte, der die Straßen von Adelaide in Morast verwandelte. Ihr
Ziel war das neue Kaufhaus, das unlängst eröffnet worden war und in dem sich dem
Vernehmen nach günstige Gelegenheiten boten.
Alice
hoffte, im Kirkland's Emporium preiswerte
Schminke zu erstehen; Hannah dagegen hatte vor, dem Inhaber ihre Visitenkarte
zu überreichen und ihm das Gleiche zu sagen wie bereits den verschiedenen
Apothekern der Stadt: »Wenn Sie Ihre Kundinnen auf meine Dienste als Hebamme
hinweisen, werde ich meinen Patientinnen Ihr schönes Geschäft empfehlen.« Bis
jetzt war sie nur von einem Apotheker vermittelt worden - zu einer
Notentbindung in einem der Hotels. Es war auch alles glatt über die Bühne
gegangen, nur war die Familie lediglich ein paar Tage in der Stadt geblieben
und dann weiter nach Melbourne gereist. Für den Beginn einer
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