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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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aufgewiegelt. Drei haben um
Entlassung nachgesucht, eine weitere hat Anstalten gemacht, wegzulaufen.
Dieser Miss Neunmalschlau muss eine
Lektion erteilt werden. Heute Abend gehen weitere fünf Briefe an höchst
einflussreiche Leute raus.«
    Und in der
Tat sah Alice auf Lulus Schreibtisch, auf dem sich Kassenbücher und Rechnungen
türmten, obenauf fünf verschlossene Umschläge liegen. »Wenn Sie diese Briefe
nicht abschicken, bleibe ich bei Ihnen.«
    Lulu
lachte auf. »Wozu soll ich dich denn brauchen, du hässliche kleine Kröte?«
    »Ich
könnte für Ihre Kunden singen.«
    Die fette
Bordell-Besitzerin dachte kurz darüber nach und sagte dann: »Das ändert nichts
an meinem Vorhaben. Dieser Miss Neunmalschlau muss eine Lektion erteilt werden.«
    »Sie tun
mir leid«, meinte Alice leise.
    Lulus
Nasenlöcher blähten sich. »Keine Ahnung, weshalb ausgerechnet du dich derart aufspielst. Wie weit
meinst du es im Leben zu bringen, mit diesem Gesicht, das Kindern Angst einjagt?
Du hattest es gut hier. Konntest dich verstecken. Ein undankbares Luder bist
du. Immerhin hab ich dich aufgenommen.«
    »Gewiss
doch, das haben Sie. Und mich dann gezwungen, Tag für Tag achtzehn Stunden zu
schuften. Sie haben mich auf dem Fußboden schlafen lassen, mir kaum was zu
essen gegeben. Sie haben mich schlechter behandelt als manch anderer seinen
Hund. Es war ein Fehler von mir, herzukommen. Ich dachte, ich könnte an Ihr
Mitgefühl appellieren. Aber ich habe mich getäuscht.« Mit drei Schritten war Alice
am Schreibtisch, schnappte sich die fünf Umschläge und steuerte auf die Tür zu.
    »Nein, das
wirst du nicht tun«, grunzte Lulu, hievte sich aus dem Sessel, stützte sich auf
ihren Stock und versuchte, Alice den Weg abzuschneiden. Aber vergebens. Alice
flitzte an Lulu vorbei und durch die Tür.
    Lulu
humpelte ihr nach, herrschte sie an, stehenzubleiben. Aber Alice ließ sich
nicht aufhalten, rannte durch den großen Saal in die Küche.
    »Dann
behalt sie doch, die verdammten Briefe«, sagte Lulu, als sie ebenfalls die
Küche erreichte. »Ich schreib einfach noch weitere.«
    Alice
blieb stehen. Lulu hatte recht. Die Briefe zu entwenden nützte nichts. Sie
blickte auf zu der Riesin, die, die schreckliche Krücke in der Hand, bösartig
auf sie herabsah. Um es mit ihr aufzunehmen, musste sich die kleine, zart
gebaute Alice etwas anderes einfallen lassen. Sie sah sich in der verwaisten
Küche um. Töpfe und Pfannen und Milchkannen standen da herum, Messer lagen
bereit. Auf dem Küchentisch entdeckte sie eine kleine rotweiße Schachtel mit
der Aufschrift Stowes Sicherheits-Zündhölzer.
Entfachen Feuer wo immer benötigt.
    Die
Schachtel war mit hellroten Flammen bemalt.
    Plötzlich
meinte Alice das Brausen eines wütenden Feuers zu vernehmen. Sie schaute zum
Herd, und obwohl der kalt und dunkel war, sah sie vor ihren Augen Flammen
tanzen. Sie stutzte. Erinnerte sie sich an den Albtraum von neulich oder an
das richtige Feuer vor Jahren? Als sie den schrillen Aufschrei einer Frau vernahm,
wusste sie nicht, ob das in ihrem Albtraum war oder ihre Mutter damals, in
jener verhängnisvollen Nacht.
    Als
Erinnerungen in Bruchteilen von Sekunden einander ablösten - gelbe und goldene
Flammen, Hitze, nacktes Entsetzen, ihre Fingernägel durch das vergebliche
Kratzen an der verschlossenen Tür abgerissen, hörte sich Alice ganz ruhig
sagen: »Das Schlimmste war, dass Sie mich in den stockfinsteren Keller gesperrt
haben, mit nichts weiter als Zündhölzern und einer Lampe.«
    »Das
musste sein«, blaffte Lulu. »Wem nützt eine Dienstmagd, die nicht Lampen und
Kerzen anzünden kann und beim Anblick eines Kamins, in dem ein Feuer brennt, zu
schreien anfängt? Das hab ich zu deinem eigenen Besten getan. Und du musst doch
zugeben, dass es erfolgreich war.«
    Die Tage und Nächte, die sie im Keller eingesperrt gewesen war, nichts zu
essen bekommen und sich so vor der Dunkelheit gefürchtet hatte, dass sie
geweint und gebettelt hatte, rausgelassen zu werden. Und Lulu, die durch die
Tür gesagt hatte: »Zünd die Lampe an, dann lass ich dich raus.«
    »Ja«,
erwiderte Alice. »Es war erfolgreich. Feuer kann mich nicht mehr erschrecken.«
Sie griff nach der Pappschachtel, zog ein Zündholz heraus und strich mit dem
Phosphorkopf über die Reibefläche an der Seite der Schachtel.
    »Was
machst du denn da?«, fragte Lulu.
    Alice
hielt sich die Flamme vor die Augen. »Ich will Ihnen zeigen, wie nachdrücklich
Sie mir meine Angst vor Feuer ausgetrieben haben. Ich

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