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selbst.«
Noch schien sie nicht überzeugt. Ihr Telefon läutete, und während sie zuhörte, schüttelte sie den Kopf - wütend auf Frank, auf Charles, auf sich selbst. Die Basis in Wien teilte ihr mit, dass am Sonntagmorgen ein Boot mit Dubrovniker Kennzeichen herrenlos treibend vor dem Hafen des Lido gefunden worden war. »Sie sagen, in der Kabine wurden Blutspuren entdeckt«, berichtete sie.
Nach dem Telefonat bot Charles erneut an, sich ans Steuer zu setzen - er wollte sich nicht von ihren österreichischen Fahrgewohnheiten bremsen lassen. Statt einer Antwort zeigte ihm Angela den Mittelfinger.
Letztlich konnte er sich doch noch durchsetzen, weil sie mitten in den zugewucherten Bergen auf der oberen Halbinsel plötzlich zu weinen anfing. Sie wechselten die Plätze. In der Nähe der italienischen Grenze versuchte sie, ihren hysterischen Ausbruch zu erklären. »Das ist verdammt hart. Jahrelang arbeitet man und passt auf, dass man nur wenigen Leuten vertraut. Nicht vielen, aber doch einigen, damit man überhaupt durchhält. Und wenn man ihnen erst mal vertraut, gibt es kein Zurück mehr. Das geht gar nicht. Wie soll man sonst seine Arbeit machen?«
Charles ließ das ohne Kommentar stehen, fragte sich jedoch, ob das vielleicht auch sein Problem war. Im Grunde hatte sich die Vorstellung, jemand anders zu vertrauen als dem Mann, der ihm telefonisch die Aufträge erteilte, schon längst als völlig unhaltbar erwiesen. Aber vielleicht verkraftete der menschliche Körper ein solches Ausmaß an Misstrauen einfach nicht.
Nachdem sie an der italienischen Grenze ihre Pässe vorgezeigt hatten, zückte er sein Handy und wählte. Er sprach kurz mit Grainger und wiederholte die Informationen, die er bekommen hatte: »Scuola Vecchia di Santa Maria della Misericordia. Dritte Tür.«
»Was war das?«, wollte Angela wissen.
Er tippte eine zweite Nummer ein. Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich Bogdan Krizans vorsichtige Stimme: »Da?«
»Laufen Sie runter zum Hafen gegenüber vom Hotel Slovenija. Nummer siebenundvierzig. Unten im Wasser werden Sie einen bosnischen Serben finden, er heißt Dusan Maskovic. Haben Sie mitgeschrieben?«
Krizan schnaufte schwer. »Geht es um Frank?« Charles unterbrach die V erbindu ng.
5
Nach dreistündiger Fahrt erreichten sie Venedig und mieteten ein Motoscafo - ein Wassertaxi Um halb sechs waren sie am Lido-Hafen. Ein mürrischer junger Carabiniere mit einem Flaumschnurrbart lungerte neben dem verlassenen Motorboot herum. Den Venezianern war mitgeteilt worden, dass sie sich auf Besuch einstellen, diesen aber nicht mit einem Begrüßungskomitee empfangen sollt en. Er hob das rote Polizeiba nd für sie, folgte ihnen jedoch nicht an Bord. Alles war da: die Zulassungspapiere aus Dubrovnik, eine schmutzige, mit überzähligen Motorteilen übersäte Kabine und in einer Ecke ein brauner, sonnengetrockneter Blutfleck.
Sie hielten sich nicht lange auf. Das Einzige, was Frank Dawdle in dem Boot hinterlassen hatte, waren seine Fingerabdrücke und die Chronologie eines Mordes. Charles imitierte mit der Hand eine Pistole. »Dort hat er ihn erschossen, dann hat er ihn rausgezerrt.« Er deutete auf eine Stelle am Boden, wo das Öl mit leichten Blutspuren vermischt war. »Vielleicht hat er ihm das Metallrohr noch an Bord umgebunden, vielleicht erst im Wasser. Aber das spielt keine Rolle.«
»Nein.« Angela musterte ihn eindringlich. »Das spielt keine Rolle.«
Sie fanden keine Patronenhülsen. Möglicherweise waren sie in die Bucht von Portoroz gefallen, aber es konnte genauso gut sein, dass Frank sie nach der üblichen Vorgehensweise der Company aufgesammelt hatte, obwohl er seine Fingerabdrücke hinterlassen hatte. Panik vielleicht, doch auch das spielte keine Rolle.
Sie dankten dem Carabiniere, der ein »Prego« knurrte, während er auf Angelas Brüste starrte. Am Dock wartete der Motoscafo-Fahrer mit einer nicht angezündeten Zigarette zwischen den Lippen auf sie. Die Sonne hinter ihm stand schon tief. Er teilte ihnen mit, dass die Taxiuhr noch immer lief und bereits 150.000 Lire überschritten hatte. Er wir kte hocherfreut, als sich keine r der beiden Passagiere beschwerte.
Nach einer zwanzigminütigen schaukelnden Fahrt auf dem Canal Grande gelangten sie in den Stadtteil Cannaregio, wo der russische Geschäftsmann Roman Ugrimow gerade seine neue Residenz bezogen hatte. »Der hat überall seine Finger drin«, erklärte Angela. »Russische Energieunternehmen, österreichische
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