Word-OleSte-DerTou
Informationen sickern nun mal durch. Haben Sie nachgeprüft, wie viele Geheimberichte bei den Franzosen, Spaniern und Briten gelandet sind? Genauso viele, wette ich.«
»Aber wir haben keinen französischen, spanischen oder britischen Pass mit Ihrem Bild drin. «
In diesem Moment begriff Milo. Fitzhugh hatte kein Interesse mehr an seinem Geständnis. Mord war eine Kleinigkeit im Vergleich zu einer Tätigkeit als Doppelagent. Das war ein Fang, mit dem sich Fitzhugh einen Orden verdienen konnte. Dafür musste Milo mit lebenslanger Einzelhaft oder einem frühen Tod rechnen.
»Von wem haben Sie das?«
Fitzhugh schüttelte den Kopf. »Wird nicht verraten.« Offenbar hatte Fitzhugh keine Ahnung, woher die Dokumente stammten. Milo hingegen hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, eine Vorstellung, die auch noch seinen letzten Rest Glauben zu atomisieren drohte.
11
Am Morgen war Tina in Myrtle Beach aufgewacht und mit Stephanie an den Strand gegangen. Sie fühlte sich besser, die Tränen der halb durchwachten Nacht waren schon fast vergessen. Als sie sich auf dem gemieteten Liegestuhl niederließ und ihrer Tochter beim Planschen im Atlantik zuschaute, wurde ihr klar, dass sie sich vorkam wie eine betrogene Ehefrau. Bloß dass sie die Rivalin nicht überwachen oder angreifen konnte, weil sie kein Mensch war, sondern eine Biografie. Unwillkürlich musste sie an die Zeit an der Highschool denken, als sie die alternative Geschichte ihres Landes las und entdeckte, dass Pocahontas zu einer Marionette im kolonialen Machtkampf geworden war und nach einer Londonreise mit John Rolfe auf der Rückfahrt an Lungenentzündung oder Tuberkulose gestorben war.
Doch während die zerbrochenen Nationalmythen Empörung und Wut in ihr ausgelöst hatten, fühlte sie sich durch die zerbrochenen Mythen ihres Mannes gedemütigt und verhöhnt. Das einzig Kluge, was sie getan hatte, war, dass sie sich geweigert hatte, zusammen mit Milo unterzutauchen.
Bei der Landung auf dem LaGuardia und danach auf der Fahrt nach Brooklyn rumorte es immer stärker in ihr. Die Straßen wirkten klaustrophobisch, und jedes bekannte Schaufenster war wie eine Anklage aus ihrem alten Leben. Ja, sie hatte bereits damit begonnen, ihr Leben in zwei Teilen zu sehen: alt und neu. Das alte Leben war wunderbar in seinem Unwissen; das neue schrecklich in seinem Wissen.
Die Taschen wogen eine Tonne, als sie Stephanie folgte, die mit klirrenden Schlüsseln die Treppe hinauflief. Tina war noch auf dem zweiten Absatz, als ihre Tochter schon die Tür erreichte. Nachdem sie geöffnet hatte, hüpfte sie gleich wieder heraus und drückte die Nase ans Geländer. »Mom?«
»Was ist, Schatz?« Sie wuchtete sich die Taschen über die Schulter.
»Da ist alles ganz durcheinander. Ist Dad wieder zu Hause?«
Als sie die Taschen fallen ließ und die letzte Treppe hinaufjagte, brandete eine unerklärliche Hoffnung in ihr hoch. Ob Lügen oder nicht, Milo war wieder da. Dann bemerkte sie, dass die Schubladen des Tischchens bei der Tür herausgerissen und ausgeschüttet worden waren. Überall auf dem Boden lagen Münzen, Bustickets, Speisekarten und Schlüssel. Der Spiegel über dem Tisch hing mit der Glasseite zur Wand, und der Papierbelag auf der Rückseite war heruntergerissen.
Sie ließ Stephanie im Flur warten und warf einen Blick in alle Zimmer. Überall Zerstörung, als hätte der berühmte Elefant im Porzellanladen gewütet. Ach was, Tina, ein Elefant kommt doch gar nicht die Treppe rauf. Als sie sich bei diesem Gedanken ertappte, wusste sie, dass sie hysterisch wurde.
Also rief sie die Nummer an, die ihr Special Agent Simmons hinterlassen hatte, und hörte zu, wie sie ihr mit ruhiger Stimme versicherte, dass sie nichts damit zu tun hatte. Sie war schon so gut wie unterwegs, und Tina sollte auf keinen Fall etwas anfassen.
»Lass alles liegen, wie es ist«, rief Tina, doch Stephanie war nicht mehr im Flur. »Kleine Miss? Wo bist du?«
»Im Bad«, ertönte die gereizte Antwort.
Wie lange hielt Stephanie das noch aus? Wie lange hielt sie das noch aus? Noch hatte sie Stef nichts von ihrem plötzlichen Familienzuwachs erzählt, von dem neuen Urgroßvater und dem Großvater, den sie schon in Disney World kennengelernt hatte. Aber Stephanie war nicht auf den Kopf gefallen. Heute Morgen im Hotel hatte sie gefragt: »Mit wem hast du gestern im Altenheim geredet?«
Tina hatte ihre Tochter nicht anlügen wollen. »Mit jemandem, der vielleicht was über Daddy weiß.«
»Um ihm zu
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