Word-OleSte-DerTou
»Aber wie?«
»Bill meint, in der Pizza war was, aber so denkt er eben. Ich tippe eher auf die Schlaf tabletten.«
Milos Magen krampfte sich zusammen. Er hatte daneben gestanden, als sie aus Versehen Selbstmord beging. Er zwang sich, ruhig zu atmen. »Hast du die Polizei verständigt?« »Also wirklich, Weaver. Du musst mich ja für einen kompletten Idioten halten.«
Milo war zu schwach für irgendwe1che Einwände. Alles, was er empfand, war eine schmerzende Leere. Er wusste, dass es die Betäubung vor dem Sturm war. Er nahm Einner die Fernbedienung ab und stellte leiser. Auf dem Bildschirm hüpften palästinische Kinder herum, die irgendetwas feierten. »Ich muss mich duschen.«
Einner hockte sich mit der Fernbedienung aufs Bett, schaltete auf MTV Europe und machte wieder laut. Französischer Rap schallte durchs Zimmer.
Milo trat ans Fenster und ließ die Jalousien herunter. Bis auf den tosenden Puls im Kopf fühlte er sich am ganzen Körper wie taub.
»Was soll das?«
Milo wusste es nicht. Er war einfach seinem Instinkt gefolgt.
»Paranoia«, konstatierte Einner. »Du hast was Paranoides an dir. Ist mir gleich aufgefallen, aber ich konnte es mir nicht erklären - bis vergangene Nacht. Ich hab nachgeforscht. Du ... « Er senkte die Stimme wieder zu einem Flüstern. »Du warst mal Tourist.«
»Schon lange her.«
»Was war deine Legende?« »Hab ich vergessen.«
»Ach komm.«
»Die letzte war Charles Alexander.«
Es wurde still. Einner hatte den Fernseher stumm gestellt. »Du willst mich verarschen.«
»Warum sollte ich?«
Einner setzte sich auf. Nach kurzer Überlegung drehte er die Lautstärke wieder hoch. »Über Charles Alexander wird noch immer geredet.«
»Ach?«
»Ja.« Einner nickte energisch. »Du hast dir ein paar Freunde und haufenweise Feinde gemacht. Auf dem ganzen Kontinent: Berlin, Rom, Wien, sogar in Belgrad. Die erinnern sich noch alle gut an dich.«
Milo fand diesen plötzlichen Respekt eher beunruhigend. »Von dir kommen wirklich nur gute Nachrichten, James.« Milos Telefon läutete. Tina war dran. Er nahm das Handy mit ins Bad, um der wummernden Musik zu entfliehen. »Hi, Schatz.«
»Milo? Bist du in einem Club?«
»Das ist der Fernseher.« Er warf die Badtür zu. »Was ist?« »Wann kommst du nach Hause?«
Sie klang nicht verängstigt, nur ... »Bist du betrunken?« Sie lachte - ja, genau. »P at hat eine Flasche Sekt mitge bracht.«
»Ein echter Prinz.« Milo war nicht eifersüchtig auf Patrick; ihr Ex war nur ein etwas lästiger Bestandteil seines Lebens. »Gibt's ein Problem?«
Sie zögerte. »Nein, nein. Pat ist weg, Stef ist im Bett. Ich wollte nur deine Stimme hören.«
»Hör zu, ich muss mich b eeilen. Es gibt schlechte Nach richten hier.« »Angela?« »Ja.«
»Sie ist doch nicht ... ich meine ... « Tina verstummte. »Steckt sie in Schwierigkeiten?«
»Es ist schlimmer.«
Er lauschte auf ihr Schweigen, als sie überlegte, was schlimmer sein konnte, als wegen Hochverrat verhaftet zu werden. Plötzlich hatte sie begriffen. »0 Gott.« Sie bekam einen Schluckauf, was ihr öfter passierte, wenn sie betrunken oder nervös war.
Ein italienischer Bekannter hatte einmal zu Milo gesagt: »Trauer hat was Rührseliges an sich. Bei diesem ganzen Kitsch dreht sich mir der Magen um.« Der Italiener war ein Killer, und seine Philosophie diente ihm dazu, sich gegen die emotionalen Auswirkungen seiner Arbeit abzuschotten. Doch während er duschte, merkte Milo, dass er sich genauso fühlte, wie es der Mann beschrieben hatte. Wenn er an Angelas Gesichtszüge und ihre Stimme, an ihre wachen, funkelnden Augen und ihr erst in Paris erwachtes Modebewusstsein dachte, drehte sich ihm der Magen um. Er erinnerte sich an ihr komisch verführerisches Knurrr. Statt der Leere des Schocks spürte er jetzt den Kitsch des Todes, der ihn erfüllte.
Als er mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Bad schlurfte, trank Einner Kaffee von einem Tablett, das der Zimmerservice gebracht hatte, und starrte auf den Bildschirm, auf dem Hunderte arabische Demonstranten mit erhobenen Fäusten gegen einen hohen Stahlzaun drängten.
»Wo ist das?«, fragte Milo.
»Bagdad. Erinnert stark an Iran 1979.«
Milo schlüpfte in ein gestreiftes Hemd. Einner drehte wieder laut - eine Geste, die inzwischen zu einem Omen für unheilvolle Themen geworden war. Doch er sah Milo nur beim Ankleiden zu und schien zu überlegen. Als Milo in seine Hose fuhr, flüsterte er theatralisch: »Bist du mal auf das Schwarze Buch
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