Working Mum
wollte, dass die Mutter auf diesem Bild zurückkommt. Ich wusste, wenn ich nur lange genug wartete, dann würde sie zurückkommen. Sie hatte sich nur geschont «für Anlässe». Neben dem Bild ist ein Silberrahmen mit einem Foto von Emily an ihrem zweiten Geburtstag. Sie hat gerade den Kuchen gesehen und strahlt. Mum folgt meinem Blick.
«Ist sie nicht ein Prachtskind?»
Ich nicke glücklich. Ganz gleich, wie brüchig die Familienverhältnisse auch sind, ein Baby kann sie erneuern. Als meine Mutter uns nach Emilys Geburt im Krankenhaus besucht hat und ihre altersgefleckte Hand auf die des Neugeborenen legte, habe ich verstanden, wie die Geburt einer Tochter den Gedanken an den Tod der eigenen Mutter erträglicher machen kann. Ich habe damals überlegt, jedoch nie zu fragen gewagt, ob es für Mum die Vorstellung erträglicher machte, Julie und mich zu verlassen.
In der Küche klappern Töpfe. «Mum, bitte komm und setz dich.»
«Leg du nur die Füße hoch, Liebes.»
«Aber ich möchte, dass du dich hinsetzt.»
«Gleich.»
Ich kann ihr nicht von Richard erzählen. Wie kann ich es ihr sagen?
ZU JULIE SIND es fünf Minuten mit dem Auto. Die Straßen in dieser Gegend waren schon immer nach Pflanzen und Bäumen benannt, als ob das wieder gutmachen könnte, was man der Umwelt angetan hat, als man die Häuser hier baute. Aber Orchard Way und Elm Drive und Cherry Walk wirken inzwischen wie der glatte Hohn, pastorale Töne in einer Symphonie aus Zement und Sicherheitsglas. Das Haus meiner Schwester ist in Birch Close, ein Hufeisen mit Doppelhäusern aus den Sechzigern, gesäumt von Häusern aus den folgenden Dekaden, gespickt mit guten Ideen von Stadtplanern, die den Gemeinsinn wieder erstarken lassen sollen, der von anderen Stadtplanern so gründlich zerstört worden ist.
Als ich den Volvo am Straßenrand parke, kommt von den Jugendlichen, die auf dem Gehweg bolzen, ein Ton, der zwischen bei- und abfällig angesiedelt ist, aber sobald ich aussteige und sie anfunkele, verdrücken sie sich. Sogar den bösen Buben fehlt es in dieser Gegend an Überzeugungskraft. Im Vorgarten von Nummer 9 ist mitten auf dem Rasen ein Rund ausgestochen, in dem ein magerer Rhododendron umgeben von Büscheln kleiner weißer Blumen steht. Mit einem Rad auf der betonierten Auffahrt parkt ein Dreirad mit rostigem gelbem Sitz.
Die Frau mit dem müden Pagenschnitt, die mir die Tür aufmacht, ist bereits in mittleren Jahren, obwohl sie drei Jahre und einen Monat jünger ist als ich, etwas, das ich nie vergessen werde, denn dass ich nachts ins Schlafzimmer meiner Eltern getragen wurde, um sie nach der Geburt anzusehen, ist meine erste Erinnerung. Die Tapete war grün, und das Baby war rot und in einen weißen Schal gewickelt, den ich meine Mutter vor dem Ofen stricken gesehen hatte. Sie machte seltsam schnuffelnde Geräusche, und wenn man ihr den Finger gab, wollte sie ihn nicht wieder hergeben. Schwester nannte man dieses Wesen. Ich sagte Mum, dass sie Valerie heißen solle, wie die Ansagerin im Radio. Und da sie dachten, dass ihnen Eifersüchteleien erspart bleiben würden, wenn sie mir Aktien an dem Neuankömmling gäben, tauften meine Eltern sie Julie Valerie Reddy, und sie hat es mich nie vergessen lassen.
«Na, dann kommst du wohl besser mal rein», sagt meine Schwester. Als sie über meine Schulter blickt und das Auto sieht, sagt sie: «Die werden die Reifen klauen. Willst du ihn nicht auf die Einfahrt stellen. Ich kann die Sachen wegnehmen.»
«Nein, das geht schon.»
Wir quetschen uns durch den engen Flur mit dem weißen schmiedeeisernen Blumenständer, auf dem das Spargelgras wuchert.
«Den Pflanzen geht es gut, Julie», sage ich.
«Nicht totzukriegen», sagt sie achselzuckend. «Da ist noch Tee in der Kanne, willst du eine Tasse? Steven, Füße von der Couch, deine Tante Kath aus London ist da.»
Steven ist ein hübscher kleiner Junge, gefangen im Körper einer Lusche. Er schlappt heran, um mich zu begrüßen, während seine Mutter die Tassen holt.
Ich bringe die Nachricht, dass mein Mann mich verlassen hat, als Geschenk für meine Schwester mit, als Friedensangebot. Julie ist in meinen Kleidern groß geworden, sie hat mit angehört, wie die Lehrer sie mit dem anderen Reddy-Mädchen verglichen haben, mit der, die nach Cambridge gegangen ist, und sie hat niemals in ihrem ganzen Leben irgendetwas Schöneres gehabt als ich. Okay, jetzt hat ihre große Schwester es nicht geschafft, ihren Mann zu halten, und in diesem ältesten
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