Working Mum
ansieht, das war immer ein großartiges Beruhigungsmittel, solange sie noch klein war, aber ich bin nicht mehr auf dem letzten Stand. Meine Tochter redet von irgendeiner Kriegerprinzessin, von der ich noch nie gehört hab.
«Was ist Krieger, Mama?»
«Ein Krieger ist ein tapferer Kämpfer.»
«Weißt du, was in Harry Potter ist?»
«Nein, weiß ich nicht.»
«Tapfer sein und Hexen.»
«Klingt gut. Weißt du jetzt, was wir uns ansehen?»
« Mary Poppins .»
«Schon wieder?»
«Ach, bitte, Mama.»
Als ich so alt war wie Emily, haben wir einen oder zwei Filme im Jahr gesehen, einen zu Weihnachten und einen in den Sommerferien. Für meine Kinder wird das bewegliche Bild das Vehikel ihrer Erinnerungen sein.
«Sie ist eine Sofagette.»
«Wer?»
«Die Mama von Jane und Michael.»
Ich hatte vergessen, dass Mrs. Banks eine Suffragette war. Das gehört nicht zu dem Teil des Films, an den ich mich erinnere. Ich lasse die Sauce auf kleiner Flamme köcheln und kuschele mich zu Em aufs Sofa. Und da ist sie auf dem Bildschirm, die schöne Glynis Jones, die von einem Protestmarsch zurückkommt und singend durch das große weiße Haus marschiert: «Die Kindeskinder einst besingen, was wir heut für sie erringen. Hab Dank, Schwester Suffragette!»
«Was ist das, eine Sofagette?»
«Suffragetten waren Frauen, die vor hundert Jahren durch London marschiert sind und protestiert haben. Sie haben sich an Zäunen festgebunden, weil sie die Leute davon überzeugen wollten, dass Frauen auch wählen können sollten.»
Sie lässt sich auf mich sinken und drückt mir ihren Kopf unter die Brust. Erst als Mary, Bert und die Kinder in das Kreidebild auf dem Pflaster gesprungen sind, sagt sie: «Warum durften Frauen denn nicht wählen, Mama?»
Oh, wo ist diese gute Fee mit den Erklärungen, wenn ich sie brauche? «Weil früher, vor langer Zeit, Frauen und Männer … also, Mädchen blieben zu Hause, und die Leute fanden, dass sie nicht so wichtig waren wie Jungen.»
Meine Tochter sieht mich mit wütendem Erstaunen an. «Das ist doch doof.»
Wir legen uns zurück. Em kennt jedes Lied, sie atmet sogar, wenn die Schauspieler atmen. Wenn man Mary Poppins als Erwachsene sieht, ist der Film so anders. Ich hatte vergessen, dass Mrs. Banks, die eine bessere Welt für Frauen erschaffen will, im Überschwang der Gefühle ihre eigenen Kinder vergisst. Dass Jane und Michael traurig und rebellisch sind, bis das Kindermädchen auftaucht und Stabilität und Abenteuer in ihr Leben bringt. Mr. Banks arbeitet indessen zu viel – sein Name ist Programm –, und er ist ein Fremder für seine Kinder und seine Frau, bis er gefeuert wird und in seinem eigenen Wohnzimmer von Bert, dem Schornsteinfeger, mit einem Lied gewarnt werden muss: «Sie müssen dreh’n, dreh’n, dreh’n Ihren Schleifstein. Die Kindheit läuft wie Sand durch ein Sieb, und viel zu schnell ist sie entflohn, es bleibt nur die Fron, weil für das Glück nie Zeit mehr blieb.»
«… mit ’nem kleinen Löffel Zucker …»
Emily und ich singen mit. Plötzlich habe ich das beunruhigende Gefühl, dass der Film auf mich gemünzt ist, und da verkündet Emily: «Wenn ich kleine Kinder hab, Mummy, dann pass ich selber auf sie auf, bis sie erwachsen sind. Ohne Kindermädchen.»
Sollte ich mir Mary Poppins ansehen, damit sie das sagen konnte? Ist das ihre Art, mir etwas klarzumachen? Ich schaue ihr ins Gesicht, sehe aber keine Spur Berechnung, sie scheint nicht auf eine Reaktion zu warten.
«Maaa-aaa.» Das Babyphon macht knisternd auf sich aufmerksam. Ben wacht auf. Ehe ich nach oben gehe, setze ich mir Em aufs Knie.
«Ich finde, wir beide sollten mal eine ganz besondere Reise machen. Was hältst du davon?»
Sie zieht die Nase kraus wie Momo, wenn sie aufgeregt ist. «Wohin?»
«Zum Eiersteakgebäude? Weißt du noch, dass du das zum Empire State Building gesagt hast?»
«Hab ich nicht.»
«Hast du doch, Schatz.»
«Mam-ma», sagt Emily und zieht meinen Titel mit einem Maximum an Verachtung in die Länge, «so reden nur Babys. Und ich bin kein Baby mehr.»
«Nein, Liebes, das bist du nicht.»
Es geht zu schnell, nicht? An einem Tag sagen sie all diese lustigen Sachen und man schwört sich, sie aufzuschreiben, tut es aber nie, und dann reden sie wie Straßengören oder, noch schlimmer, sie reden genau wie man selber. Ich treibe meine Kinder dazu an, schneller groß zu werden, und ich betrauere jede Minute, die ich von ihrer Kleinkinderzeit verpasst habe.
Als ich Ben
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