Working Mum
berufstätige Mutter habe die Kurve gekriegt, und die berufstätige Mutter schaut mit Angst und Neid zurück, denn sie weiß, dass es nicht so ist. Ganz gleich, ob man nun in der einen oder der anderen Rolle weitermacht, man muss sich einreden, dass die Alternative schlecht ist. Die berufstätige Mutter sagt, weil ich ein erfüllteres Leben führe, kann ich eine bessere Mutter für meine Kinder sein. Und manchmal glaubt sie das sogar. Die Mutter, die zu Hause bleibt, weiß, dass sie ihren Kindern damit einen Vorteil verschafft, und das ist was, woran man sich klammern kann, wenn einem der Kleine seinen Becher Saft über das letzte saubere T-Shirt gekippt hat.
Hier in der Küche aber finde ich Trost in der Gesellschaft einer Hand voll bekannter Frauen, die versprengten Überreste meiner ursprünglichen Mutter-Kind-Gruppe. Erstaunlich, wir kennen einander jetzt schon über fünf Jahre. Judith, die rundliche Brünette drüben neben der Mikrowelle, war einmal Patentanwältin. Ging für ein paar Jahre wieder zurück an ihren Arbeitsplatz, aber eines Tages entdeckte sie Hundehaare auf dem Rücksitz des Familienautos. Das Problem war, sie hatten keinen Hund. Sie redete sich ein, dass die Haare kein Grund zur Sorge seien, bis ein nagendes Gefühl im Bauch sie dazu trieb, sich während der Arbeitszeit aus dem Büro zu stehlen. Sie parkte vor ihrem eigenen Haus und folgte dem Kindermädchen bis zu einer Wohnung in der Holloway Road. Hinter einer unverschlossenen Tür fand sie Joshua in einer Ecke hinter dem Feuergitter eingepfercht und von einem Schäferhund bewacht, während Tara, das Kindermädchen, sich nebenan mit einem Freund amüsierte, der ein Metallica-Tattoo auf einer seiner bebenden Hinterbacken hatte.
Wir haben Judith alle gesagt, dass sie einfach nur unbeschreibliches Pech hatte. Ein einziger verrotteter Apfel im ganzen gesunden Fass von Kindermädchen. «Aber was, wenn er was gesehen hat, Kate?», schluchzte sie in den Telefonhörer.
«Josh hat nichts gesehen, Judy, er ist noch nicht mal drei. Und sie erinnern sich an gar nichts, bevor sie fünf sind.»
Aber Judy ging nie wieder das Risiko der Kinderbetreuung ein. Wir wussten, wie sie sich mit dem Gedanken an die Hundeschnauze so dicht vor dem Gesicht ihres Babys quälte, denn damals folterte uns unser Gewissen jedes Mal, wenn wir nach Hause kamen und eine neue Beule oder einen neuen Kratzer an unseren kleinen Kindern fanden. Solche Sachen passierten, aber der Umstand, dass sie passierten, während wir nicht da waren, um aufzupassen, war so schmerzlich. Und dann war da die geheime, nie ausgesprochene Überzeugung, dass man selber schneller zur Stelle gewesen wäre. An der Tischecke, bevor die Stirn aufschlagen konnte, auf dem Asphalt, vor dem winzigen Knie. Frühwarnsystem nennt man so was beim Militär. Die Natur gibt es der Mutter mit, und die Mutter ist überzeugt davon, dass kein Mensch es mit ihr aufnehmen kann, wenn es um Schnelligkeit oder Voraussicht geht.
Judith hatte keine Einwände, als ihr Ehemann Nigel sagte, dass er, da er in der Bank unter derartigem Stress stehe, in Skiurlaub gehen müsse, während Judith den entspannenden Alltag mit drei kleinen Kindern unter vier allein zu Hause fortsetzte. Die Zwillinge waren gekommen, kurz nachdem das Kindermädchen gegangen war. Die Judith, die ich früher mal gekannt habe, hätte Männern die rote Karte gezeigt, aber diese Judith gab es schon lange nicht mehr.
Wir anderen hielten für eine Weile an der Überzeugung fest, dass wir für etwas Besseres ausgebildet worden waren als das schonende Erwärmen von Barbienudeln. Doch dann gaben wir eine nach der anderen auf. «Aufgeben», so nennt man das doch, nicht wahr? Ich nenne es anders. Aufgeben klingt nach kampfloser Übergabe, aber das waren ehrenvolle Schlachten, die tapfer und nicht ohne Blessuren ausgekämpft wurden. Haben also die Mutternovizen an meiner Seite ihre Jobs aufgegeben? Nein, die Jobs haben sie aufgegeben oder es zumindest unmöglich gemacht, dass sie ihnen nachgingen. Karen, sie löffelt gerade Wackelpudding in Ellas Mund, stellte fest, dass sie von ihrer Steuerberatungsfirma ausgebootet worden war, nachdem ihr glasklar bedeutet wurde – durch anspielungsreiches Nicken und Zwinkern – dass sie, nachdem sie Louis bekommen hatte, nicht mehr als Partnerin infrage kam. Sie hatte für ein paar Monate nicht auf die Karriereautobahn geachtet und sich auf der Mama-Spur wiedergefunden. (Die Mama-Spur kann ohne weiteres für eine
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