Working Mum
Erfolg.
9.28: «Was hat die Frau für ein Problem?»
«Bitte?»
Winston mustert mich im Rückspiegel. In seinen Augen, so braun, dass sie fast schwarz sind, blitzt ein Lachen.
«Angela? Ach, weiß nicht. Urbane Angst, frustrierte Frau, die ein Ersatzleben durch ihre Kinder führt, nicht genug Oralsex. Das Übliche.»
Winstons Lachen füllt das Taxi. Tief und grobkörnig, erschüttert es meinen Solarplexus, und für einen Augenblick beruhigt es mich.
Dichter Verkehr auf dem Weg zum Flughafen – und ich habe reichlich Zeit, über mein bevorstehendes Treffen mit Jack Abelhammer zu brüten. Als ich gestern Abend mit Rod Task gesprochen habe, hat er gesagt: «Jack scheint ziemlich gespannt darauf zu sein, dich kennen zu lernen, Katie.»
«Das liegt wohl daran, dass Greenspan die Zinsen um einen halben Prozentpunkt gesenkt hat», improvisierte ich. Ich konnte meinem Boss ja kaum erzählen, dass ich meinem Klienten eine E-Mail geschickt habe, in der ich ungebührliches Verhalten und eine Woche im Bett in Aussicht gestellt hatte.
Irgendwie kann ich nicht damit aufhören, mich zu kratzen. Gestern Abend habe ich mir die Haare mit einem neuen Shampoo gewaschen: eine allergische Reaktion? Oder vielleicht habe ich mir auf dem Rücksitz von Pegasus eine niedrige Lebensform zugezogen, einen Pilz etwa. Dieses prähistorische Taxi könnte ohne Schwierigkeiten die Brutstätte von jeder Menge wirbelloser Tierarten sein.
Aber die Musik, die hier zirkuliert, ist am entgegengesetzten Ende der Entwicklung angesiedelt. Der Klang der Trompeten, von Pauken und Becken synkopisch unterlegt, erinnert mich an Rhapsody in Blue .
«Ist das Gershwin, Winston?»
Er schüttelt den Kopf. «Ravel.» Mein Taxifahrer hört Ravel?
Wir fahren an der Hoover-Fabrik vorbei, als der langsame Satz beginnt. Er ist das Traurigste, was ich je gehört habe. Mitten drin setzt eine Flöte ein und haucht über das Klavier hinweg, wenn ich die Augen schließe, sehe ich einen Vogel über dem Meer schweben.
New York, Büro der Salinger Foundation
15.00 – an der Ostküste: Komme mit schwirrendem Kopf im Büro von Abelhammer dem Schrecklichen an, das gleich um die Ecke vom Wall Street Center liegt. Befinde mich in Begleitung von Guy, der keine Symptome von Jetlag zeigt. Im Gegenteil, Guy ist geradezu widerlich auf Touren und spürt die Fluktuationen des Nasdaq besser als seinen eigenen Puls.
Ich habe mir ein angemessen abtörnendes Outfit für die Vorstellung bei Abelhammer ausgesucht. Züchtig, anthrazit, kniebedeckend, die Schuhe einer sizilianischen Witwe: Der Look ist Maria von Trapp, ehe sie diese Schlafzimmergardinen zerschnitten hat.
Mein Beschluss, die Temperatur dieses Meetings ein paar Grad unter Null zu halten, schmilzt, als Jack Abelhammer eintritt. Anstelle des grauhaarigen Brooks-Brothers-Patriziers, den ich mir vorgestellt hatte, steht ein lässiger, gut gekleideter Typ etwa meines Alters vor mir, mit einem George-Clooney-Lächeln, das seine Augen erreicht, ehe die Mundwinkel so recht bei der Sache sind. Scheiße. Scheiße.
«Kate Reddy», sagt Abelhammer der Schreckliche, «es ist mir wirklich eine Freude, all die Zahlen, die Sie mir geschickt haben, mit einem Gesicht verbinden zu können.»
Soso. Ich informiere Salinger über die Entwicklung des Fonds während der letzten sechs Monate. Alles läuft bestens, bis eine von Jacks jungen Consultants – ein mürrischer Agent-Scully-Rotschopf – ihr Drahtgestell auf der Nase hochschiebt und sagt: «Darf ich fragen, warum Sie ein derartiges Gewicht auf Japan legen, wenn Ihre Prognosen für Japan so verhalten sind?»
«Ah, das ist eine Frage, die Umsicht verrät. Eine für Sie, Guy.»
Ich übergebe elegant an meinen Assistenten, nehme Platz und lehne mich zurück, um zu beobachten, wie der kleine Kriecher sich aus dieser Sache rauswindet. Checke lässig das Handy.
SMS von Paula Potts an Kate Reddy
Emly nch Hs gschckt wrdn. NISSEN.
Familie mss bhndlt wrdn.
Du auch!
Prost, Paula
Ich fasse es nicht, was ich da lese. Ich bin über den Atlantik gereist und habe Läuse eingeschleppt. Entschuldige mich und spurte aufs Klo. Im tiefseegrünen Licht des Waschraums für leitende Angestellte versuche ich meine Haare Strähne für Strähne zu untersuchen. Wie sehen Nissen aus? Mache eine Traube von Eiern in Scheitelnähe aus, sind vielleicht nur Schuppen. Kämme mir wie besessen die Haare.
Unmöglich, den vorab vereinbarten Termin für das Essen mit Abelhammer abzusagen. Kann nicht
Weitere Kostenlose Bücher