Working Mum
pro Seite, auf denen immer zwei Strichmänncheneltern zu sehen waren. Strichmänncheneltern tunkten ihre eckigen Ellenbogen ins Badewasser oder prüften die Temperatur der Milch auf ihren Strichmännchenhandrücken. Es gab einen Stundenplan für die Fütterzeiten, Ratschläge, wann man von der Flasche auf feste Nahrung umstellen sollte, oder, so meine ich mich zu erinnern, eine Liste der häufigsten Ausschläge. Aber es wurde ganz bestimmt kein Wort darüber verloren, wie man sein Kind mit der Tatsache vertraut machen soll, dass man sterben wird.
Als ich in Ems Gesicht schaue, das zugleich strahlend und nachdenklich ist, kriege ich dieses atemlose Gefühl, das man als Mutter so oft kriegt, wenn man die Tränen zurückhält, während das Kind die älteste aller Fragen stellt.
«Stirbst du auch, Mama?»
«Eines Tages. Aber noch lange nicht.»
«Wann?»
«So lange nicht, wie du eine Mama brauchst.»
«Wie lang ist das?»
«Bis du selber eine Mama bist. Schnell, Em. Mach die Augen zu.»
«Ma-ma?»
«Schlaf ein, Liebes. Morgen ist ein aufregender Tag.»
Also, hab ich das jetzt richtig hingekriegt? Soll man es ihnen so sagen? Oder wie?
Sonntag, 15.14: Emily und ich zusammen in der Achterbahn, wir kreischen, während sich unsere Mägen heben und senken. Ich schließe die Augen und mache ein Polaroidfoto für mein Gedächtnis: Ich amüsiere mich mit meinem wunderbaren Kind. Ihr Haar im Wind, ihre Hand fest in meiner. Aber sogar hier gibt es kein Entkommen: irgendwas an dieser Karussellfahrt erinnert mich an Arbeit. Der Stammaktienmarkt geht hoch, hoch, hoch und dann – rums – die Falltür in meinem Bauch klappt auf.
O Kate, du blöde, dumme, unglaublich hirnlose … Frau … o Gott, nein. Ich hab am Donnerstag vergessen, meine Aktien auf dem Markt zu platzieren. Ich hätte 5 Prozent der Fonds verkaufen müssen – es ist bei Edwin Morgan üblich, mehr Barvermögen als Stammaktien zu halten, wenn die Märkte schwächeln. Als wir die Hügelkuppe erreichen, hab ich plötzlich Nordfrankreich und meine Karriere vor Augen. EMF hat schon Einstellungsstopp. Der nächste Schritt sind Entlassungen. Und wer ist der erste Kandidat? Fondsmanager, die vergessen haben, die Aktien ihrer Kunden zu verkaufen, weil sie Schokoladenenten bei Thorntons erstehen mussten, bitte vortreten.
«Ich bin gefeuert.»
«Was?» Richard erwartet uns, als wir aus dem kleinen Zug aussteigen.
«Ich bin gefeuert. Ich hab’s vergessen. Ich hab versucht, an alles zu denken, und es vergessen.»
«Katie, langsam. Erzähl es mir langsam.»
«Daddy, warum weint Mummy?»
«Mummy weint nicht», sagt Paula, die aus der Menge getreten ist und Emily auf den Arm genommen hat. «Mummy fand das so toll, dass sie gelacht hat, bis ihr die Tränen kamen. Okay, wer will einen Crepe? Mit Marmelade oder mit Zitrone? Ich nehme Marmelade.»
«Ist es in Ordnung, wenn ich sie mitnehme, Kate?», fragt Paula schnell. Und ich nicke, denn natürlich kann ich nicht sprechen. Und Paula verschwindet mit Ben im Buggy und Emily, die nebenher hüpft. Was sollte ich nur ohne sie machen?
16.40: Bin ruhiger. Die Gelassenheit einer verdammten Frau. Man kann absolut nichts machen, Feiertage. Bis Dienstag kann ich nichts verkaufen. Hat keinen Zweck, den Rest unserer Reise zu verderben. Ich klettere aus den Tanzenden Teetassen des Verrückten Hutmachers, als ich einen Mann in der Warteschlange bemerke, der versucht, mich einzuordnen. Es ist Martin, ein Verflossener. Sie wissen ja, was für merkwürdige Phänomene das Sichten eines Ex auslösen kann. Ich spüre es jetzt. Das Phantom einer Leidenschaft, ein seidenes Tuch, das aus dem Herzen gezogen wird. Ich drehe mich schnell um und sichere die bereits festgezurrten Gurte an Bens Buggy.
Erste Gedanken: Gründe, vom Ex nicht erkannt werden zu wollen
c) Trage gelben Regenponcho aus Plastik, im Disneyland Universal Store erworben, den ein Micky-Maus-Logo schmückt und der nach eingerolltem Kondom riecht.
d) Mein Haar, heute Morgen mit schwächlich röchelndem Hotelföhn getrocknet, klebt am Schädel wie die Zweitfrisur einer betagten Altersheiminsassin.
e) Bin kurz davor, gefeuert zu werden, deshalb nicht recht in der Lage auszuführen, wie sensationell gut sich mein Leben ohne ihn entwickelt hat.
Nachgedanke
a) Er erkennt mich nicht. ER ERKENNT MICH NICHT MAL. Hab ich mich auf so schreckliche Weise verändert und bin nun so verschrumpelt, dass ich für einen Mann nicht mehr begehrenswert bin, der einmal
Weitere Kostenlose Bücher