Working Mum
mir, dass ich was vergessen habe. Was noch? Was denn noch?
19.16: Zur Bettzeit will eine überdrehte Emily die Ostergeschichte noch einmal durchgehen. Sie ist ganz besessen davon, seit sie letzte Woche spitzgekriegt hat, dass das Jesuskind, von dem sie zu Weihnachten Lieder gesungen hat, zum Mann am Kreuz herangewachsen ist. Das ist eine von den Gelegenheiten, bei denen man sich wünscht, einen Knopf drücken zu können, der die gute Fee der Erklärungen mit ihrem Weisheitszauberstab erscheinen lässt.
«Warum ist Jesus tot gemacht worden?»
O Gott. «Weil, na, weil den Leuten die Dinge, die er sagte, nicht gefielen und sie wollten, dass er aufhörte.»
Ich kann sehen, dass Emily sich den Kopf nach dem schlimmsten denkbaren Verbrechen zermartert. Schließlich sagte sie: «Sie wollten nicht teilen?»
«Irgendwie stimmt das, sie wollten nicht teilen.»
«Und nachdem Jesus gestorben ist, ging es ihm wieder besser und er ist in den Himmel gegangen.»
«Ja, richtig.»
«Wie alt war er, als sie ihn gekreuzt haben?»
«Gekreuzigt. Er war dreiunddreißig.»
«Wie alt bist du, Mummy?»
«Ich bin fünfunddreißig, Liebling.»
«Manche Leute können hundert Jahre alt sein, nicht, Mummy?»
«Ja, das stimmt.»
«Aber dann sterben sie trotzdem?»
«Ja.» (Sie will, dass ich ihr sage, dass ich nicht sterben werde. Ich weiß, dass sie das will. Und das ist das Einzige, was ich nicht sagen kann.)
«Sterben ist traurig, weil man dann seine Freunde nicht mehr sehen kann.»
«Ja, es ist traurig, Em, sehr traurig, aber es werden immer Leute da sein, die dich lieb haben …»
«Eine Menge Leute sind doch im Himmel, nicht, Mummy? Eine ganze, ganze Menge.»
«Ja, Schätzchen.»
Als sonntags ausschlafende Agnostiker hatten Richard und ich beschlossen, dass wir unseren Kindern nicht den falschen Trost eines garantierten Lebens nach dem Tode geben wollten. Keine Engel oder Erzengel, keine Harfen, kein Elysium, das von den Leuten in zweifelhaftem Schuhzeug bevölkert war, die man im College nicht ausstehen konnte. An diesen Beschluss hielt ich mich, ach, bis etwa drei Sekunden nachdem meine Tochter das erste Mal das Wort «sterben» ausgesprochen hatte. Wie konnte ich, die ich sie keine Geschichten von Roald Dahl hören ließ, weil sie zu grausam waren, eine Ofentür aufmachen und sie dazu einladen, über das Ende eines jeden Menschen nachzusinnen, den sie je kennen und lieben würde?
«Und der Osterhase ist auch im Himmel?»
«Nein, der Osterhase nicht, ganz bestimmt nicht.»
«Aber Dornröschen?»
«Nein, Dornröschen ist in ihrem Schloss, und wir besuchen sie morgen.»
Emilys Fragen sind oft ein Schock für mich, aber ich bin weitaus schockierter darüber, dass ich ihr jede Antwort geben kann, die mir gefällt. Ich kann ihr erzählen, dass es einen Gott gibt oder dass es keinen Gott gibt, ich kann ihr erzählen, dass Oasis besser war als Blur, obwohl es, wenn sie alt genug ist für solche Platten, keine Platten mehr geben wird und Madonna für sie genauso weit weg sein wird wie Haydn. Ich kann sie dazu anhalten, Fan einer Fußballmannschaft zu werden, oder ich kann ihr erzählen, dass Sport unendlich langweilig ist. Ich kann ihr raten, gut zu überlegen, wem sie ihre Jungfernschaft opfert oder ihr früh sachliche Ratschläge zur Empfängnisverhütung geben. Ich kann ihr vorschlagen, so bald wie möglich ein Viertel ihres jährlichen Einkommens in einen Indexfonds einzuzahlen, oder ich kann ihr sagen, dass Liebe die Antwort ist. Ich kann ihr wer weiß was erzählen, und diese Freiheit ist so faszinierend wie fürchterlich.
Als man uns vor fast sechs Jahren ein kleines Mädchen aus dem Krankenhaus mit nach Hause gab, hat man vergessen, das Handbuch für den Sinn des Lebens mit einzupacken. Ich weiß noch, wie Richard sie in ihrem kleinen Sitz mit dem großen Griff aus dem Auto ins Haus trug und sie mit äußerster Vorsicht auf dem Fußboden im Wohnzimmer absetzte. (Damals glaubten wir noch, dass wir sie kaputtmachen könnten, wir wussten nicht, dass der umgekehrte Fall wahrscheinlicher war.) Richard und ich sahen unsere Tochter an, und dann sahen wir einander an, und wir dachten: «Was jetzt?»
Man braucht einen Führerschein zum Autofahren, aber wenn man ein Baby bekommt, wird erwartet, dass man alles en passant aufschnappt. Elternwerden ist so, wie auf hoher See zu versuchen, ein Boot zu bauen.
Was sie uns im Krankenhaus gegeben hatten, war ein dünnes Heftchen in blauem Plastikeinband mit mehreren Cartoons
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