World of Warcraft: Jaina Prachtmeer - Gezeiten des Krieges
so ruhig und still und beinahe schon langweilig, würde nun Zeuge einer Seeschlacht werden.
Ohne auf seine eigene Sicherheit zu achten, hangelte sich Varian ein zweites Mal die Takelage empor, um auf den Ozean hinauszuspähen. Er zählte lediglich drei oder vier Schiffe, die, so schnell sie konnten, auf die Flotte zusegelten. Auch ihre Segel waren vom Wind gebläht, und es sah aus, als würden sie den Elementen alles abverlangen; was aber nicht weiter verwunderlich war, denn schließlich setzte die Horde schon sehr viel länger als die Allianz Schamanen ein.
„Hart nach Backbord!“, rief Telda, und Varian schlang die Hand fester um die nassen Taue, als die Wellenlöwe sich jäh nach links drehte, der Gefahr aus dem Süden entgegen. Einen Augenblick lang empfand er beinahe – aber wirklich nur beinahe – Mitleid mit den Besatzungen dieser Schiffe, die schon in wenigen Minuten ein nasses Grab auf dem Meeresgrund finden würden.
„Feuer!“
Das Flaggschiff erzitterte unter dem Donnern seiner eigenen Kanonen, als die Waffen dem Feind ihre Geschosse entgegenspien. Einige Kanonenkugeln fuhren ins Wasser, ohne Schaden anzurichten, aber die meisten trafen ihr Ziel – das führende Schiff – mit tödlicher Präzision. Jubel wurde laut, als das Hordeschiff in sich zusammensank.
Doch da setzten sich die Planken plötzlich wieder zusammen. Offenbar konnte die Besatzung dieser Schiffe nicht nur auf die Dienste von erfahrenen Schamanen setzen, sondern auch auf die von erfahrenen Druiden. Varian fluchte, dann kletterte er rasch die Takelage hinab. Die letzten paar Meter legte er mit einem Sprung zurück.
„Hexenmeister, macht euch bereit!“, rief er. Wenn die Dienste jener nötig wurden, die mit Dämonen zusammenarbeiteten, fühlte er sich immer etwas unbehaglich, auch dann, wenn es zum Wohle der Allianz geschah. Doch er wusste: Sie beherrschten gewisse Zauber – und obendrein gewisse Kreaturen –, die sich nun als äußerst hilfreich erweisen konnten. Ihre in Schwarz und Violett und anderen dunklen Farben gehaltenen Roben flatterten um ihre Leiber, als die Hexenmeister an die Reling eilten. Dann hoben sie in vollendetem Gleichklang die Arme und stimmten ihre misstönenden Beschwörungen an.
Feuer regnete vom Himmel auf das ohnehin schon beschädigte Hordeschiff herab, ein steter, unwiderstehlicher Regen, und kleine, gackernde Dämonen, die unter dem Namen Wichtel bekannt waren, tanzten über das feindliche Schiff und schleuderten dabei Flammen um sich. Diese Zerstörung anzurichten schien nicht nur eine Aufgabe für sie zu sein, sondern ihnen obendrein auch noch wirklich Spaß zu machen.
„Magier!“, brüllte Varian nun, die Augen weiter fest auf das feindliche Schiff gerichtet. Gewaltige Feuerbälle mischten sich in den unablässigen tödlichen Flammenregen, und als dann auch wieder die Kanonen grollten, war die Belastungsgrenze des Schiffes überschritten. Es brach entzwei, und Varian sah voller Genugtuung, wie zahlreiche Soldaten der Horde mit hektischen Bewegungen ins Wasser der Bucht sprangen. Die meisten von ihnen gingen aber mit dem Schiff unter.
Siegreich wendete die Wellenlöwe , als die Schamanen die Winde beschworen, sich zu drehen. Danach richtete sich ihr Bug auf das nächste Feindesschiff. „Einer hin, drei im Sinn!“, krähte Telda. „Kommt schon, ihr Helden und Heldinnen! Heute Abend schlag’n wir uns in Orgrimmar die Bäuche voll!“
Einen Moment später senkte sich plötzlich ein grauer Nebel über das Schiff.
Varian fluchte. Das war das Werk von Schamanen. Doch seine Hexenmeister reagierten bereits und schickten grün glühende Bälle nach oben, über den heraufbeschworenen Dunst hinweg. Anschließend meldeten sie, was sie sahen. Eine von ihnen, eine Menschenfrau, die viel zu jung für ihr weiß schimmerndes Haar zu sein schien, das ihre Schultern umschmiegte, rief Varian zu: „Majestät – irgendetwas tut sich im Ozean, aber ich kann nicht genau erkennen, was es ist.“
Erneut erklang Kanonendonner, doch diesmal konnte Varian nicht sagen, wer feuerte und wer unter Beschuss stand. Dann aber hörte er ein grausiges, knirschendes Geräusch. Es war nicht das Knarzen, mit dem sich das Deck unter dem Feuer von Kanonen aufbäumte, sondern etwas anderes, Schreckliches, irgendwo dort draußen, wo er es nicht erkennen konnte. Doch eines wurde ihm nun schlagartig klar: Die Truppen der Horde mochten seiner Flotte zahlenmäßig unterlegen sein, doch sie waren viel gefährlicher, als er gedacht
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