World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
amerikanische Führung hat möglicherweise nicht gehört – oder nicht richtig verstanden –, was Peking ihr zu sagen versuchte. Jedenfalls haben die Vereinigten Staaten so gut wie gar nichts getan, um die Schwachstellen ihres Stromnetzes und anderer ziviler Netze zu beheben.
Eine Schar Anderer
Ich habe mich auf China konzentriert, weil die Entwicklung seiner Fähigkeiten im Bereich der elektronischen Kriegführung sonderbarerweise bis zu einem gewissen Grad transparent ist. Aber die amerikanischen Geheimdienstexperten betrachten China nicht als größte Bedrohung im Cyberspace. »Die Russen sind zweifellos weiter und fast so gut wie wir«, sagte mir ein Geheimdienstmann. Anscheinend erhält China größere Aufmerksamkeit, weil es – sei es mit oder ohne Absicht – in vielen Fällen Spuren hinterlassen hat, die zum Tiananmen-Platz führen.
Die nichtstaatlichen russischen Hacker einschließlich der in den großen auf Computerkriminalität spezialisierten Cracker-Gruppen sind eine wirkliche Macht im Cyberspace, wie die im ersten Kapitel behandelten Angriffe auf Estland und Georgien gezeigt haben. Es wird allgemein angenommen, dass die Hacktivisten und Kriminellen von der sogenannten Direktion 16 gesteuert werden, einem Teil des berüchtigten sowjetischen Geheimdienstapparats, der früher als KGB bekannt war. Später wurde er in FAPSI umbenannt. Kaum ein amerikanischer Nachrichtendienstler wusste, wofür FAPSI stand (es ist das russische Akronym für die »Bundesbehörde für Regierungsfernmeldewesen und Information«).
Wie bei der der National Security Agency NSA bestanden die Aufgaben der FAPSI ursprünglich in Ver- und Entschlüsselung, Abfangen von Funksignalen und Abhöraktionen. Doch sobald das Internet auftauchte, wandte sie sich dem neuen Feld zu und übernahm den größten Dienstanbieter Russlands. Später wurden sämtliche russischen ISP gezwungen, Überwachungssysteme einzurichten, zu denen nur die FAPSI Zugang hatte. Aber während das Internet zusammenwuchs, lösten sich die Sowjetunion und mit ihr theoretisch auch der KGB und die FAPSI auf. In Wahrheit änderten diese Organisationen nur die Namen auf den Schildern in ihren Zentralen. Nach mehreren Reorganisationen verwandelte sich die FAPSI 2003 in die Abteilung SSSI (Sonderfernmeldewesen und Kommunikation). Nicht alle beschilderten Gebäude dieses Dienstes befinden sich in Moskau. In der südrussischen Stadt Woronesch betreibt die FAPSI, wie die Behörde weiterhin von vielen Russen genannt wird, die vielleicht größte (und zweifellos eine der besten) Hackerschulen der Welt, ein Ausbildungszentrum für Cyberkrieger.
Deutschland hat im Jahr 2006 eine offizielle Cyberkriegseinheit ins Leben gerufen. Die in der Tomburg-Kaserne in Rheinbach bei Bonn stationierte und auf Anweisung von Verteidigungsminister Franz Joseph Jung eingerichtete Abteilung Informations- und Computernetzwerkoperationen ist Teil des 7000 Mann starken Kommandos für Strategische Aufklärung unter dem Befehl von Brigadegeneral Friedrich Wilhelm Kriesel. Dieser Eliteeinheit für den Netzkrieg gehörten im Jahr 2009 76 Computerexperten an, die allesamt an deutschen Militärhochschulen ausgebildet worden waren.
Die seit 2010 einsatzfähige Abteilung Informations- und Computernetzwerkoperationen besitzt angeblich erstklassige Fähigkeit in der elektronischen Kriegführung. Doch in einem Bericht an die Stabschefs der Streitkräfte bezeichnete Kriesel die Verteidigung gegen DDoS- und Botnetz-Attacken als wichtigste Aufgabe seiner Einheit.
Weitere Länder mit gut ausgebildeten Netzkriegseinheiten sind Israel und Frankreich. Nach Ansicht amerikanischer Nachrichtendienstler gibt es 20 bis 30 Armeen, die bereits gut für den Krieg im Cyberspace gerüstet sind, darunter jene Taiwans, des Iran, Australiens, Südkoreas, Indiens, Pakistans und mehrerer NATO-Staaten. »Die meisten Länder der Welt sind heute zu virtuellen Attacken in der Lage«, erklärt der frühere Director of National Intelligence, Admiral Mike McConnell.
Wenn die Cyberkrieger angreifen
Sie glauben mittlerweile, dass es Netzkrieger gibt, bezweifeln aber, dass sie viel mehr tun können, als Websites lahmzulegen? Wir haben bisher noch keinen regelrechten Netzkrieg erlebt, aber wir können uns ein ziemlich gutes Bild davon machen, was geschehen könnte, wenn wir Opfer eines Angriffs würden. Stellen Sie sich einen Tag in Washington in der absehbaren Zukunft vor: Sie sind der Assistent des Präsidenten für den
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