World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
des Kanzleramts auch Rechner der Ressorts Finanzen, Bildung und Forschung sowie Auswärtiges gehackt hatten. An einzelne Mitarbeiter dieser Ministerien waren betrügerische E-Mails mit infizierten Word- oder PowerPoint-Dateianhängen geschickt worden. Diese Attachments enthielten Trojaner, die es den chinesischen Hackern ermöglichten, sich Zugang zu den Rechnern zu verschaffen und anschließend Daten zu stehlen. Den deutschen Sicherheitsdiensten gelang es, 160 Gigabyte an Informationen zu retten, aber bis dahin hatte die Regierung bereits gewaltige Verluste erlitten. Ein Beamter erklärte gegenüber dem Spiegel , niemand wisse, wie viele Daten durchgesickert seien. Bei einer genaueren Analyse stellten die Verantwortlichen fest, dass die gestohlene Information eigentlich nur für eine andere Regierung von Interesse sein konnte. Anhand einer Untersuchung der Signaturen der verwendeten Trojaner gelang es dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und dem Büro des Datenschutzbeauftragten, den Ursprung der Attacken bis zu drei Orten in China (Lanzhou, Kanton und Peking) zurückzuverfolgen. Diese Herkunft sowie der Charakter der gestohlenen Informationen bewegten Remberg dazu, die Angriffe einer Einheit der Volksbefreiungsarmee zuzuschreiben.
Die öffentliche Reaktion von Kanzlerin Merkel fiel relativ zurückhaltend aus. Sie ging nicht im Einzelnen auf die chinesische Urheberschaft ein, sondern erklärte lediglich, dass der deutschen Regierung die Beziehung zu China sehr am Herzen liege; gleichzeitig sei ihr jedoch auch der Schutz des geistigen Eigentums sehr wichtig. Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD in der Zeit der großen Koalition, äußerte sich ähnlich entschieden. Er kündigte an, dass der außenpolitische Ausschuss das Problem gegenüber den Chinesen in angemessener Form ansprechen werde, und wies auf die Notwendigkeit hin, dafür zu sorgen, dass sich China an die westlichen Verhaltensnormen halte. Die Verärgerung war nicht auf die Regierungskoalition beschränkt: Vertreter aller politischen Parteien äußerten sich empört über die China zugeschriebenen Aktionen.
Die Netzspione drangen auch in den Computer des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates ein. Später kopierten chinesische Hacker während eines Besuchs von Handelsminister Carlos Gutierrez in Peking Informationen von seinem Laptop und versuchten, sich mit diesen Daten Zugang zu den Rechnern des Handelsministeriums zu verschaffen. Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Robert Lawless, kommentierte das Vorgehen der Chinesen mit den Worten, sie seien »sehr gut in der Lage, unsere Computersysteme anzugreifen und zu beeinträchtigen … unsere lebenswichtigen Systeme lahmzulegen. Sie sehen darin einen wichtigen Bestandteil ihrer asymmetrischen Kriegführung.«
2009 entdeckten kanadische Forscher ein hochentwickeltes Computerprogramm, den sie auf den Namen GhostNet tauften. Es hatte rund um den Erdball ungefähr 1300 Computer in den Botschaften mehrerer Länder unter seine Kontrolle gebracht. Das Programm war in der Lage, Webcam und Mikrophon eines Computers ohne Wissen des Benutzers aus der Ferne einzuschalten und Bild und Ton unbemerkt an Server in China zu schicken.Vorrangige Ziele des Programms waren Büros, die in Verbindung zu tibetanischen Nichtregierungsorganisationen standen. Die Operation lief bereits 22 Monate, als sie aufgedeckt wurde. Im selben Jahr sickerte aus amerikanischen Geheimdienstquellen durch, dass chinesische Hacker ins amerikanische Stromnetz eingedrungen waren und dort Schaltmechanismen deponiert hatten, mit denen ein Blackout ausgelöst werden könnte.
Das Ausmaß der staatlichen chinesischen Hackingangriffe auf amerikanische, europäische und japanische Unternehmen und Forschungseinrichtungen ist beispiellos in der Geschichte der Spionage. In Universitäten, Industrielabors und Regierungsstellen wurden Exabytes an Daten kopiert. Wertvolle Geheimnisse, von pharmazeutischen Formeln über bio- und nanotechnische Designs bis hin zu Waffensystemen und alltäglichen Industrieprodukten, wurden von den Hackern der Volksbefreiungsarmee geraubt und an die China Incorporated weitergereicht.
Der Einwand liegt nahe, dass ein Krieg mit China unwahrscheinlich ist. Die chinesischen Exporteure sind vom amerikanischen Markt abhängig, und das Land hat Billionen in amerikanische Staatsanleihen investiert. China hätte also im Falle eines Konflikts sehr viel zu verlieren. Ein
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