World Wide War: Angriff aus dem Internet (German Edition)
darunter sein allgegenwärtiger Internetbrowser, auf den in aller Welt verkauften Computern vorinstalliert. Der Wechsel zu einem alternativen Produkt war ein zeitaufwändiges und schwieriges Unterfangen, bis Apple im vergangenen Jahrzehnt begann, Läden zu eröffnen und Werbung zu betreiben.
Der Fairness halber sei gesagt, dass Microsoft ursprünglich nicht die Absicht hatte, mit seiner Software kritische Systeme zu betreiben. Sein Ziel war es, seine Produkte rasch auf den Markt zu werfen und die Produktionskosten niedrig zu halten. Anfangs sah das Unternehmen keinen Sinn darin, in strenge Qualitätssicherungsverfahren wie jene zu investieren, die die NASA für alle im Fall bemannter Raumflüge verwendete Software vorschrieb. Das Problem ist, dass die Benutzer irgendwann begannen, Microsoft-Produkte in kritischen Systemen einzusetzen, sei es in der Waffentechnik oder in Finanznetzwerken. Schließlich waren diese Programme sehr viel billiger als maßgeschneiderte Anwendungen.
Alle paar Jahre geht eine Welle von Effizienzsteigerungen durch die Bundesbehörden, und sie holen die in der Privatwirtschaft bereits durchgeführten Kostensenkungen nach. Eine dieser Modernisierungsbestrebungen war die COTS-Kampagne. Die Idee war, die in der Vergangenheit von den staatlichen Einrichtungen verwendete Spezialsoftware durch kommerzielle Standardsoftware (commercial off-the-shelf, COTS) zu ersetzen. Während des Kalten Kriegs hatte das Pentagon die technologische Innovation in den Vereinigten Staaten angeführt. Ich erinnere mich noch daran, wie mir jemand erzählte, für die Regierung seien Kameras ohne Film entwickelt worden. (Ich verstand nicht richtig, wie das funktionieren sollte – bis ich mir ein Jahrzehnt später eine solche Kamera bei Best Buy besorgte.) Erst nach der Entwicklung der militärischen Anwendungen wurde diese Technologie für die kommerzielle Nutzung freigegeben.
Die COTS-Kampagne stellte diesen Prozess auf den Kopf. Bis in die neunziger Jahre wurde die Software des Pentagons im Haus oder von einer kleinen Gruppe vertrauenswürdiger Unternehmen entwickelt. Jedes System war einzigartig, und genau so wollten es die Lieferanten. Die Systeme, die sie an das Verteidigungsministerium lieferten, waren extrem teuer. Die Interoperabilität der Systeme war beschränkt. Dank der COTS-Kampagne konntedas Pentagon die Kosten senken und untereinander kompatible Systeme einrichten, die sich alle auf dieselben Programmiersprachen und dieselben Betriebssysteme stützten. Da die Standardsoftware billig war, konnte ihr Einsatz erheblich ausgeweitet werden. Es wurden mehr und mehr Anwendungen entwickelt. Sensor-Grids wurden miteinander vernetzt. Das 5,5 Millionen Computer umfassende Global Information Grid (GIG) wurde eingerichtet. Die »netzzentrierte Kriegführung« verschaffte den amerikanischen Streitkräften einen gewaltigen Vorsprung. Gleichzeitig machte es sie jedoch sehr verwundbar.
Mit der Standardsoftware erwarb das Pentagon für seine Rechner dieselben Fehler und Schwachstellen, die den Computer jedes Privatanwenders plagten. Im Jahr 1997 fand die Kriegsmarine heraus, wie gefährlich es sein konnte, sich in Kampfeinsätzen auf solche Systeme zu verlassen. Die USS Yorktown , ein Kreuzer der Ticonderoga-Klasse, war umgerüstet worden, um sie in das erste »intelligente Schiff« zu verwandeln. Nun war die Yorktown mit einem Netz von 27 Workstations ausgerüstet, die mit Pentium-Prozessoren und Windows NT betrieben wurden und an einen Windows-Server angeschlossen waren. Das System steuerte den gesamten Betrieb des Schiffs, von der Kommandobrücke über die Brandbekämpfung bis zur Regelung der Motorenleistung. Eines Tages brach das Windows-System zusammen, was es häufig tut. Der Kreuzer wurde manövrierunfähig und verwandelte sich in einen im Wasser treibenden Ziegelstein.
In Reaktion auf diesen Vorfall und ungezählte andere Ausfälle von windowsgestützten Systemen wandte sich das Pentagon Unix und den verwandten Linux-Systemen zu, um die unverzichtbaren Betriebselemente zu stabilisieren. Linux ist ein Open-Source-System. Das bedeutet, dass der Benutzer den Programmcode für das Betriebssystem einsehen und bearbeiten kann. Bei Windows (und den meisten anderen kommerziellen Softwareprodukten) ist der Quellcode Eigentum des Herstellers und wird von diesem eifersüchtig gehütet. Die Open-Source-Systeme hatten für das Pentagon eine Reihe von Vorteilen. Erstens konnten die Programmierer des
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