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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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oder einfach vor ihnen auftauchte wie ein zorniger Dämon. Die meisten gaben bei seinem Anblick Fersengeld, nur ein paar von ihnen – betrunkener und dümmer als der Rest – gingen auf ihn los. Darauf wartete er nur. Er zertrümmerte Nasenbeine, ließ Lippen platzen, prellte Rippen – und jeder Tritt, jeder Schlag war eine zurückgezahlte Schuld. Ein bierbäuchiger Weltkriegsveteran kam mit einer Brechstange auf ihn zu. Jeremy trat ihm in den Unterleib. Einem Mann mit tiefliegenden, rotfleckigen Schweinsaugen entriß er einen Zaunpfahl und versohlte ihm damit den Hintern, bis er zu quieken begann. Irgendwann entdeckte er Blut auf seinen Händen und Unterarmen; er hielt inne, um sich damit unter beide Augen einen karminroten Strich zu ziehen, und dann, als er grimmig und eingeboren aussah wie ein Krieger aus alten Zeiten, hetzte er zwei halbwüchsige Jungen, bis sie in Tränen ausbrachen und um Gnade flehten. Gnade war ihm unbekannt, doch er hielt sich im Zaum, denn er dachte an Peletiah, er dachte, ausnahmsweise einmal, an die Folgen. Er ließ sie laufen. Als das Zwielicht allmählich die Zweige der Bäume verdichtete und das Gebrüll von der Straße her immer wirrer und teuflischer wurde, zog er sich instinktiv nach Norden auf die Weide zurück, und dort, in der hereinbrechenden Dämmerung, machte er die Bekanntschaft von Truman Van Brunt.
    Truman hatte ein Polohemd und ausgebeulte weiße Hosen an und besprach sich gerade mit einem Mann mit mächtigen Oberarmen, der ein blutverschmiertes Arbeitshemd trug; neben ihnen stand ein Junge von sechs oder sieben Jahren. Obwohl der Indianer Truman noch nie gesehen hatte und auch seinen Namen erst am nächsten Morgen bei Peletiah in der Küche erfuhr, kam ihm irgend etwas an dem Mann bekannt vor, etwas, das an seinem Bewußtsein nagte wie ein nur halb erinnerter Traum. Tief ins Gebüsch geduckt, beobachtete Jeremy die Männer. Und lauschte.
    Der Mann mit den breiten Oberarmen war aufgeregt, er blickte wild um sich, kratzte sich an den Armen, als hätte er einen unerträglichen Juckreiz. Er wollte von dem Mann im Polohemd wissen, ob er ein Opfer bringen wolle, ob er versuchen würde, durch den Mob hindurchzuschlüpfen, um Hilfe zu holen – denn wenn nicht bald Hilfe käme, dann wären sie verloren. Truman zauderte nicht lange. »In Ordnung«, sagte er, »ich gehe, aber nur, wenn ich Piet mitnehmen darf«, wobei er auf den Jungen zeigte. Erst als der Junge etwas sagte – »Scheiße, Mann, das will ich auch hoffen, daß du mich mitnimmst!« –, erkannte Jeremy seinen Irrtum. Das war kein Junge – nein, es war ein Mann, ein Zwerg, auf dessen verzerrtem kleinem Gesicht ein bleicher, böser Ausdruck lag, es war der zum Leben erweckte pukwidjinny . Etwas stimmte hier nicht, stimmte ganz und gar nicht. Plötzlich drang ein Schrei aus der Richtung des Konzertpodiums herüber, und der kräftige Mann warf einen nervösen Blick über die Schulter. »Dann nimm ihn eben mit«, sagte er, und Truman ging mit dem Zwerg über die Wiese davon.
    Der Indianer wartete eine Minute, bis der Mann mit den breiten Oberarmen sich umgedreht hatte und zurück zur Arena rannte, dann verließ er den Wald und machte sich an die Verfolgung Trumans. Still und bedächtig wie eine Statue in Bewegung, tief vornübergebeugt im Pirschgang, schlich er sich an den Mann im Polohemd und seinen kleinformatigen Gefährten heran. Truman blickte sich kein einziges Mal um. Im Gegenteil, er schlenderte über die Wiese, als hätte er nicht die geringste Sorge, als ginge er gemütlich zum Frühschoppen ins Wirtshaus, anstatt zur Straße, wo die tollwütigen Hunde sich auf ihn stürzen würden. Der Indianer, der jetzt etwas näher herankam, hielt ihn für übergeschnappt. Entweder das, oder er war der tapferste Mann der Welt.
    Plötzlich brachen aus den Bäumen am Straßenrand drei Gestalten hervor und liefen auf Truman und den Zwerg zu. Sie trugen Veteranenmützen und schmutzige T-Shirts. Alle drei schwenkten Schlagwaffen – Schraubenschlüssel und Schneeketten, die sie sich in der Eile aus dem Kofferraum gegriffen hatten. »Hey, ihr Niggerfreunde«, rief der mittlere, »kommt doch mal zu Papa.«
    Jeremy duckte sich tief ins Gras, machte sich auf Ärger gefaßt. Doch das Merkwürdige war: es gab keinen Ärger. Truman ging einfach auf sie zu und sagte etwas mit leiser, eindringlicher Stimme – etwas, das der Indianer nicht genau verstand. Aber was es auch war, es schien zu besänftigen. Statt ihre Waffen zu gebrauchen

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