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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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erinnerte sich an Van Wart und gab keine Antwort. Nach einer Weile tippte Standard an die Mütze und wanderte auf dem Pfad davon.
    Doch Standard Crane war nicht Van Wart. Ebensowenig sein Vater Peletiah, der trotz einer bösen Erkältung, tränender Augen und einem schmerzenden Knie bei vier Grad unter Null den weiten Weg zur Hütte zu Fuß ging, um dieses Wunder zu bestaunen, diesen Indianer mit grünen Augen, der sein Land besetzt hatte. Jeremy erwartete sie. Vor der Hütte. Auf alles gefaßt. Doch Peletiah grüßte ihn nur mit einem Kopfnicken und nahm ungezwungen auf der roh gezimmerten Stufe neben ihm Platz. Standard, der seinen Vater hergeführt hatte, hielt sich im Hintergrund und grinste verlegen. Peletiah lud den Indianer auf eine Prise Kautabak ein, nachdem er ein Stanniolpäckchen aus der Innentasche seines rotschwarz karierten Jägermantels gezogen hatte; anschließend erzählte er in höchst nachbarschaftlichem Ton, er habe das Land dem verstorbenen Rombout Van Wart abgekauft.
    Der Indianer war ein schwieriges Publikum. Den Tabak wies er mit einer so schroffen Gebärde ab, als wollte er Fliegen verscheuchen, dann ließ er das Gesicht zur Maske erstarren. Zwar verriet es seine Miene nicht, doch insgeheim vernahm er mit Freude, daß das Land sich nicht mehr im Besitz der Van Warts befand, und tiefste Befriedigung verschaffte ihm die Nachricht, daß der Dreckskerl, der ihn hinter Gitter gebracht hatte, nicht mehr unter den Lebenden weilte. So lauschte er, stumm wie die abgeschälten Stämme seiner Veranda, dem kurzatmigen weißen Mann, der mittlerweile bei der Geschichte des Grundstücks angelangt war und dabei um die Frage nach Jeremys Identität kreiste wie ein Moskito auf der Suche nach einem Fleck nackter Haut. Aber als Jeremy ihn mitten im Satz unterbrach und anfing, Proudhon zu zitieren, und mit allem Nachdruck feststellte, Eigentum sei Diebstahl und er habe das Stammesrecht, hier unter der heiligen Eiche zu leben, und alle Diebe und Enteigner mögen zum Teufel gehen, da überraschte ihn Peletiah.
    Nicht nur konnte dieser knochendürre, triefäugige Weiße mit der spitzen Nase genausogut mit Zitaten um sich werfen, er war zudem seiner Meinung. »Na ja, auf dem Papier mag ich der Besitzer des Bodens sein«, sagte Peletiah, senkte den Kopf, um auszuspucken, und blickte dann in die Runde, ein versonnenes Lächeln auf den zusammengekniffenen Lippen, »aber in Wirklichkeit gehört das Land hier jedem, jedem Menschen auf Erden. Verbotsschilder wirst du hier keine finden.«
    Jeremy sah zu den Bäumen auf, wie um für diese Erklärung eine Bekräftigung zu suchen, und starrte dann in die ausdruckslosen Augen des Eichhörnchenjägers. Standard lehnte mehr als sechs Meter weit entfernt an einem Baum und bohrte nachdenklich in der Nase. Bei der Erwähnung der Verbotsschilder machte er tief in der Kehle ein Geräusch, das wohl humorig und vergnügt klingen sollte, aber eher herauskam wie das Todesröcheln eines Ertrinkenden.
    »Ich habe das Land gekauft, weil ich das Geld dafür aufbringen konnte, als niemand sonst welches hatte, und weil es für einen Spottpreis zu kriegen war«, erklärte Peletiah weiter. »Irgendwie hat es mir hier gefallen. Ich dachte, vielleicht baue ich mal ein Haus drauf, aber wie das eben so ist ...« Er winkte müde ab. Er hatte schlaue Augen; das angedeutete Lächeln lag immer noch auf seinen Lippen. »Willst du es haben?« fragte er nach kurzer Pause. »Willst du hier wohnen, im Bach baden, im Wald umherstreifen? Nur zu. Es ist deins. Mach was draus.«
    Zwei Jahre später dehnte Peletiah diese Einladung auf 20000 Gleichgesinnte aus, und die Wiese unter der Eiche, jenseits des Acquasinnick Creek, war von ihnen bevölkert. Das war eine feine, großartige Sache, aber ein paar Wochen davor war es wirklich kritisch gewesen – am Abend des vereitelten Konzerts. Damals kamen nicht einmal hundertfünfzig Leute, um ihre Picknickkörbe und Decken im Gras auszubreiten. Jeremy beobachtete die Szene vom Waldrand aus. Er hatte keine Ahnung, daß Sasha Freeman der Organisator der Veranstaltung war – hatte seit zwanzig Jahren nichts mehr von ihm gehört –, doch es ging um etwas, das er billigen konnte, das er lobend anerkennen und unterstützen konnte.
    Als der Ärger anfing, zögerte er keine Sekunde. Er umkreiste die Arena, ein Schatten im Schutz der Schatten, und überraschte knüttelschwingende Patrioten und heranschleichende Halbstarke, indem er mit gellendem Schrei aus den Büschen sprang

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