Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
und auf ihn einzuprügeln wie die tollen Hunde und Handlanger des Kapitals, die sie waren, zogen sie die Köpfe ein und grinsten, als hätte er soeben den Witz des Jahrhunderts erzählt. Und dann, Wunder über Wunder, hielt einer von ihnen eine Flasche hin, und Truman trank einen Schluck. »Depeyster Van Wart«, sagte Truman, und jetzt war seine Stimme plötzlich so klar verständlich, als stünde er direkt neben dem Indianer, »den kennt ihr doch?«
    »Sicher«, kam die Antwort.
    »Wo finde ich den – vorne auf der Straße, oder wo?«
    In diesem Moment tönte ein dumpfes Brüllen vom Konzertgelände herüber, und alle fünf – der Zwerg, die Patrioten und Truman – wandten den Kopf. Jeremy hielt den Atem an.
    »Hab ihn vorhin da hinter der Kurve gesehen, bei der Einfahrt zum Crane-Grundstück«, sagte der Mann mit der Schneekette in der Hand, das trockene Rasseln seiner Stimme wurde durch das Klirren von Stahl auf Stahl akzentuiert. »Wir machen einen Sturmangriff auf die Scheißer da, sobald es dunkel ist.«
    »Bringt mich zu ihm, ja?« sagte Truman, und den Indianer, der im Gras verborgen lag wie eine Leiche, durchfuhr eiskalt eine Vorahnung wie ein Dolchstoß in den Rücken, wie die scharfkantige Botschaft, die sein Vater vor langer Zeit von Horace Tantaquidgeon erhalten hatte. »Ich habe Neuigkeiten für ihn.«
    »Juden und Nigger, Juden und Nigger«, sang der Zwerg mit hoher, näselnder Stimme, wie ein seltsames Echo seiner selbst, als wäre er in der Flasche verschwunden, die Truman ihm gereicht hatte. Dann verschwanden alle fünf zwischen den Bäumen, die die Straße säumten. Sobald sie außer Sicht waren, erhob sich Jeremy Mohonk aus dem Gras. Weiße. Sie hatten die Kitchawanken, die Weckquaesgeeks, die Delawares und die Canarsees verraten, und ihr eigenes Volk verrieten sie ebenfalls. Er hatte ihn auf der Zunge: den Geschmack der Scheiße, die er im Zuchthaus hatte schlucken müssen. Er dachte an Peletiah, dachte an die Männer, die er im Wald gestraft hatte, dachte an die Frauen und Kinder, die sich mit ihren Flugblättern und Picknickkörben drüben um die Bühne drängten. Dachte an all diese Menschen und sprang aus dem Gestrüpp, um den Spitzel im Polohemd zu verfolgen.
    Draußen auf der Straße herrschte ein heilloses Chaos. Manche der an der Böschung geparkten Wagen hatten die Scheinwerfer an, und auf dem Asphalt glitzerten Glassplitter. In diesem grellen weißen Licht sah der Indianer Gruppen von Männern und Jugendlichen in alle Richtungen durcheinanderlaufen, während Hunde herumschnüffelten und andere Männer auf Kühlerhauben hockten oder in ihren Autos saßen, als warteten sie auf ein Feuerwerk oder auf die Bekanntgabe der Preiskuh bei einer Landwirtschaftsmesse. In der Luft lag der Gestank von verbranntem Lack, von verdampfter Holzimprägnierung und schwelendem Gummi. Irgendwo plärrte ein Radio. Jeremy preßte die Schultern nach hinten und trat zwischen zwei geparkten Autos aus dem Gebüsch. Er wich einem Grüppchen junger Frauen aus, die eine Flasche Wein herumreichten, und ging die Straße entlang. Niemand sprach ihn an.
    Der Lärm wurde lauter, je mehr er sich der Einfahrt zum Konzertgelände näherte – Quietschen, Schreien, Fluchen, grölendes, betrunkenes Gelächter und das Heulen gequälter Motoren. Gruppen von Männern mit provisorischen Schlaginstrumenten stampften an ihm vorüber, und mehrere Jungen, manche kaum älter als neun oder zehn, rannten mit Säcken voller Steine die Straße hinauf. Weiter vorn lag ein rußgeschwärztes Auto umgestürzt mitten auf der Straße, gleich dahinter brannte lichterloh ein zweites. Er beschleunigte das Tempo, reckte den Kopf, um den Judas im Polohemd und seinen obszönen kleinen Gefährten irgendwo zu entdecken. Ein Mann mit Schiffchenmütze und massenhaft Medaillen auf der Brust rief ihm etwas zu, eine alte Frau in hochgekrempelten Bluejeans wedelte mit einer Fahne vor seinem Gesicht herum, Rauch stieg ihm in die Nase, das Blut unter seinen Augen war getrocknet. Er wollte gerade in Laufschritt fallen, da sah er ihn, Truman, wie er sich in das Fenster eines nagelneuen Buick beugte. Im selben Augenblick machte er auch den Zwerg aus; der lehnte nonchalant am Kotflügel und musterte sichtlich zufrieden das flammende Inferno ringsherum.
    Der Indianer setzte seinen Weg fort, und im Vorbeigehen fiel sein Blick auf den Mann am Steuer des Buick. Er erkannte das Gesicht, obwohl er es nie zuvor gesehen hatte, er kannte den humorlosen Mund und das

Weitere Kostenlose Bücher