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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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vorgereckte Kinn, diese Augen wie Brandeisen: es war das Gesicht des Mannes, der ihn ins Gefängnis gebracht hatte, das Gesicht eines Van Wart. Da er spürte, daß der Zwerg ihn musterte, widerstand er der Versuchung, sich umzudrehen, und ging weiter. Er wollte gerade umkehren – wenn er diesen rothaarigen Verräter nur allein erwischen könnte! –, als eine Horde von Freizeitsoldaten, angeführt von Trumans Kumpel mit der Schneekette, an ihm vorbeitrampelte.
    Im Schutz dieser Ablenkung – alle, selbst der Zwerg, drehten den Kopf, um den Männern nachzusehen, die gegen die Wehrlosen auf der Weide losstürmten – duckte sich Jeremy zwischen zwei Autos und wartete. Kurz darauf stieg Van Wart aus dem Buick, sagte etwas zu Truman und ging dann auf die Barrikaden am Eingang zum Konzertgelände zu. Truman und sein pukwid-jinny schlossen sich ihm an, und der Indianer zählte bis zehn, dann erhob er sich aus dem Dunkel, um ihnen zu folgen. Damit ging er ein Risiko ein – der Mob konnte jeden Augenblick über ihn herfallen, denn seine Haut, seine Haare, seine Kleidung mußten denen völlig fremd sein, sah ja aus wie so ’n Nigger oder Kommunist –, aber das war ihm egal. Der Haß trieb ihn an, und er schlängelte sich durch das Gewirr der wütenden Männer, als wäre er unsichtbar.
    Als er sich den Barrikaden näherte, wurde das Gedränge noch dichter, vor dem grellen, statischen Licht der Scheinwerfer, von dem der schmale Schotterweg erhellt wurde, wanderten düstere Silhouetten hin und her. Hier war das Zentrum von Chaos und Unruhe, in allen Gesichtern funkelte Wut, die Stimmen waren auf ein kollektives Knurren reduziert, während der Mob mal dahin, mal dorthin wogte. Beinahe verlor Jeremy seine Beute aus den Augen – die Gesichter sahen alle gleich aus, die Hemden und Schultern und Mützen, das Gewühl der Körper –, dann aber entdeckte er Van Wart, der mit einem Glatzkopf mit weit offenem weißem Hemd konferierte, und gleich hinter ihm standen Truman und der pukwidjinny . Truman konferierte mit niemandem. Er bahnte sich einen Weg durch die Menge, ein Mann in Eile, die Straße hinauf, bloß weg vom ekligen Geschäft von Verrat und Fanatismus; der Zwerg folgte ihm auf den Fersen, erkennbar nur als ein dahintreibender Graben im stehenden Feld des Mobs. Er macht sich aus dem Staub , dachte Jeremy und stürmte rücksichtslos vorwärts, stieß die Freizeitsoldaten aus dem Weg wie Strohpuppen. »Hey!« brüllte ihm jemand nach, »du da!«, doch er drehte sich nicht um.
    Als Jeremy sich aus der Menschenmenge lösen konnte, waren Truman und der Zwerg bereits hundert Meter entfernt, schwarze Punkte, die sich von der vieltönigeren Färbung der Nacht abhoben. Sie hasteten auf der dunklen Straße an einer Reihe von steckengebliebenen, verbeulten Autos vorüber und bogen dann auf einen unbefestigten Weg ab, der sich durch die Wälder in Richtung Peterskill wand. Jeremy rannte jetzt. Vorbei an zwei Jugendlichen, die sich in der Finsternis über einen Benzinkanister beugten, er wich einem Mann aus, der breitbeinig und verblüfft mitten auf der Straße stand, aus einem festgefahrenen Auto blickte ihn ein verängstigtes schwarzes Gesicht an; im nächsten Augenblick hatte er die Abzweigung erreicht. Sofort wurde ihm klar, was für ein Glücksfall das war. Der Lärm des Mobs war hier kaum noch zu hören, der Waldweg nahezu menschenleer: das war die Chance, auf die er gewartet hatte.
    Ohne Vorwarnung ging er auf Truman los, mit raschen, leisen Schritten huschte er über den Erdboden und warf sich auf die Schattengestalt wie ein Footballspieler beim Training mit dem Rammbock. Er erwischte ihn im Nacken – etwas gab nach: Knochen, Knorpel, ein ungeöltes Scharnier – und rammte sein Gesicht nach vorn in den Boden. Im Augenblick des Zusammenpralls sprang der Zwerg mit einem schrillen Schrei beiseite, und Truman stieß ein überraschtes Keuchen aus, bevor die harte, gestampfte Erde ihm den Atem nahm. Der Indianer wußte, daß er diesen Dreckskerl im Polohemd, diesen feigen Verräter, diesen Weißen töten wollte, und er schnürte ihm mit dem Arm die Kehle zu und preßte sein Gesicht in die Erde. Wenn er mit ihm fertig wäre, würde er aufstehen und den Zwerg zerquetschen wie ein rohes Ei.
    »Laß mich los!« stöhnte Truman und riß am Arm des Indianers. »Laß mich ... los!«
    Kreischend und manisch hüpfte der Zwerg auf und ab wie ein Nagetier im Käfig. »Mörder!« piepste er. »Hilfe! Mörder!«
    Der Indianer drückte fester

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