Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Einäscherungsbereichs, vor den Ofen zu setzen, dessen Tür Tom offengelassen hatte. Sie erzählte die Geschichte, wie Herbert Axelrod einmal an der Uni von San Juan zu einem Vortrag eingeladen war und beim Verlassen des Flugzeugs in einer Pfütze neben der Rollbahn ganz nebenbei eine neue Fischspezies entdeckt hatte. Tom seinerseits erzählte ihr über das Yerkes-Primaten-Zentrum, von trigonometrisch begabten Delphinen und von dem Ufo, das er gleich um die Ecke, auf der Van Wart Road, gesehen hatte.
    Schließlich und unausweichlich jedoch kam das Gespräch auf Walter.
    »Ich mache mir Sorgen um ihn«, gestand Jessica.
    Tom machte sich auch Sorgen. Seit seinem Unfall war Walter zunehmend sonderbar geworden, zeigte ein zwanghaftes Interesse an Straßenschildern, Geschichte und den Robeson-Unruhen, quatschte dauernd von seinem Vater, als wohnte er mit ihm zusammen, und redete am späten Abend im »Elbow« regelmäßig nur noch dummes Zeug. Schlimmer, er halluzinierte. Sah hinter jedem Baum seine Großmutter und ganze Armeen von Kobolden, sah seine Mutter, seinen Vater, seine Onkel und Cousins und Vorfahren. Klar: es mußte schrecklich sein, wenn einem so der Fuß abgehackt wurde, und sicherlich brauchte man Zeit, sich daran zu gewöhnen, aber allmählich wurde es ein bißchen zuviel. »Hat er dir davon erzählt, daß er komische Sachen sieht?«
    Jessica blickte ihn scharf an, als er sich vorbeugte, um Brennholz nachzulegen. »Komische Sachen?«
    »Ja, na, zum Beispiel Leute. Leute, die tot sind?«
    Sie überlegte eine volle Minute lang, ihre Gedanken waren vom Wein leicht betäubt, eine ganz sachte Übelkeit streckte ihre Fühler ins Innerste ihrer Eingeweide aus. »Ja, seinen Vater«, sagte sie schließlich. »Er hat mir einmal erzählt – das muß kurz nach dem Unfall gewesen sein –, er hätte seinen Vater gesehen. Andererseits« – sie zuckte die Achseln – »kann er ihn ja wirklich gesehen haben.«
    »Ist der nicht tot, oder was?«
    Der Wein stieg ihr zu Kopf. Oder vielleicht das Gras. Oder der Tofu. »Wer?«
    »Walters Vater.«
    Wieder zuckte sie die Achseln. »Das weiß keiner genau.«
    In diesem Moment hörten sie trampelnde Schritte auf der Veranda draußen vor der Hütte, hier mitten im Nirgendwo, ein Geräusch wie das Klopfen fleischloser Knöchel am Deckel eines Fichtensarges. Sie zuckten beide zusammen. »Walter«, murmelte Jessica im nächsten Atemzug, und sie entspannten sich wieder. Doch dann flog die Tür auf, und herein kam Mardi, in Seehundfellstiefeln und einem schäbigen Waschbärmantel, der ihr bis zu den Knien reichte, und brüllte: »Hey, Tom Crane, du bäriger alter Satyr, du Alter vom Berge! Rat mal, was ich dir mitgebracht hab?«
    Jetzt war sie drin, die Tür krachte hinter ihr ins Schloß, sie wärmte sich über dem Feuer die Hände und stampfte kurz in einem wilden Fellstiefel-Fandango mit den Füßen, ehe sie Jessicas Anwesenheit bemerkte. »Oh«, sagte sie, der große, kalte Mantel streifte Jessicas Gesicht, und musterte sie mit aufgequollenen, rotgeäderten Augen, »oh ... hallo.«
    Tom goß ihr ein Glas Wein ein, während sie lautstark über den Pfad von der Straße zur Hütte klagte – »Scheiße, alles total vereist, wie ’ne Rodelbahn oder so« – und erzählte, wie sie mindestens sechsmal auf den Arsch gefallen war. »Seht ihr?« sagte sie und hob den Mantel, um ihr Hinterteil vorzuführen, das die ausgebleichten, engen Jeans faltenlos im Griff hatten.
    Plötzlich hatte Jessica ein Gefühl, das ebenso säuerlich war wie der gallige Wein in ihrer Magengrube.
    »Wißt ihr was?« begann Mardi, warf ihren Mantel in die Ecke und brachte darunter einen Skipullover zum Vorschein, dessen Muster offenbar ein Rudel bumsender Rentiere darstellen sollte, sprach aber nicht weiter, sondern quietschte beim Anblick des Topfes auf (»Ach, was haben wir denn da? Mmmmmmh ...«) und fing an, Kürbis- und Tofustückchen daraus zu klauben. »Mmmmmmm, schmeckt gut. Was ist das? Tofu?« Sie lehnte mit mahlenden Kiefern an der Tischkante und leckte sich die Fingerspitzen ab. Ihre Hände waren schmal und zart, nicht größer als die eines Kindes, und an jedem Finger trug sie zwei oder drei Ringe. »Wißt ihr was?« wiederholte sie.
    Schweigen. Jessica konnte das leise Ächzen und Schlotzen des Ofens hören, das Knacken und Pfeifen des Saftes im brennenden Holz. Tom grinste Mardi an wie ein Bauernlümmel die Attraktionen auf dem Rummelplatz. »Was?« fragte er schließlich.
    Mardi stieß sich mit

Weitere Kostenlose Bücher