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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ein bißchen Tofu wäre prima. Ja, er war in einer Bar unten in Verplanck gewesen, hatte mit Hector Billard gespielt und auf die Zeit nicht geachtet. Mmh, ja, den Zettel hatte er gelesen. Wahrscheinlich keine zehn Minuten, nachdem sie losgefahren waren. Na ja, er hatte sich dann erst mal frisch gemacht, geduscht und so, und irgendwie hatte er Lust bekommen, in dieser kältesten Nacht seit Menschengedenken rüberzufahren und nachzusehen, wie der Heilige der Wälder die Lage meisterte. (Dies mit einem Grinsen zu Tom Crane, der schon am Ofen stand und mit wilden, spastischen Verrenkungen seines knochigen Arms in den Tiefen des Kessels rührte.) Und, tja, auf dem Pfad hierher mußte er an die hundertmal hingesegelt sein – dieser beschissene, nutzlose Fuß war ihm dauernd weggerutscht.
    »Willst du mal ziehen?« Mardi, die wieder am Tisch lehnte, beugte sich zu ihm hinüber, ihre Stimme klang gepreßt in dem Bemühen, den wertvollen Rauch in der Lunge zu halten, und streckte Walter die Pfeife wie ein Sühneopfer entgegen.
    »Klar«, sagte Walter und berührte ihre Hand, »danke«, und da entdeckte Jessica etwas in seinem Blick. »Wie geht’s denn so, Mardi?« fragte er, indem er die Pfeife zum Mund führte, und Jessica hörte etwas in seiner Stimme. Sie sah zu Mardi, die dasaß wie eine Katze mit lauter Federn im Maul, dann sah sie zu Walter, der durch den Rauch hindurch Mardi anblinzelte, und auf einmal kam ihr ein entsetzlicher, herzzerreißender und ekelhafter Gedanke.
    Jetzt redete Mardi wieder, redete schnell und mit harter, rasiermesserscharfer Stimme, erzählte Walter dieselbe Geschichte, die sie bereits vor einer Viertelstunde zum besten gegeben hatte, über die Unidozenten und sich selbst, die Provokante und Unwiderstehliche. Und Walter, der sich im Sessel lümmelte, den Mantel aufknöpfte und zwischendurch an der Pfeife zog, hörte ihr zu. Aber nein. Nein. Das war nur die übliche Paranoia, sonst nichts. Es lag am Haschisch. So wirkte es immer auf sie. Was hieß es denn schon, daß Walter nicht zum Abendessen nach Hause kam, was hieß es, daß er jede zweite Nacht im »Elbow« herumhing, was hieß es, daß Mardi nur wenige Minuten vor ihm hereingekommen war – was bewies das schon? O nein, da lag sie völlig schief.
    Dennoch sprang sie im nächsten Augenblick auf, das halbvolle Senfglas krachte zu Boden wie eine Bombe, sie raste zur Tür hinaus auf die Veranda, wo sie sich übers Geländer beugte und all das Feuer aus ihren Eingeweiden entleerte und dabei in einem Brechreiz, der weder aufhören noch nachlassen wollte, derart heftig und unkontrolliert würgte, daß sie lange Zeit dachte, sie sei vergiftet worden.

MARTYR’S REACH
    Eine andere Frau war es nicht, dessen war sie sicher. Aber irgend etwas stimmte nicht, stimmte ganz und gar nicht, da bestand für Christina gar kein Zweifel. Sie lehnte sich auf dem nach Hund riechenden Diwan zurück, den ihre Mutter für sie aus dem Keller geholt hatte, hob die dampfende Tasse Pulverkaffee an die Lippen und starrte durch die gelb verstaubten Fenster des Bungalows hinaus in die satte Abenddämmerung, die sich in den Bäumen sammelte wie der Vorbote eines heftigen Unwetters. Alles war still. Walter schlief schon, Hesh und Lola waren ausgegangen. Als sie den Blick vom Fenster auf den Kiefernschreibtisch darunter senkte (den Schreibtisch ihres Mannes mit der massigen schwarzen Smith-Corona und den ordentlich ausgerichteten, kleinen Bändchen mit geheimnisvollen Titeln wie Agrarkonflikte im New York der Kolonialzeit oder Van Wart Manor: Damals und Heute ), empfand sie eine stechende Trauer, als hätte sie etwas Verkrüppeltes, Entstelltes zur Welt gebracht, häßlich wie eine Lüge. Als sie wieder aufsah, biß sie sich in den Ringfinger, um nicht laut loszuweinen.
    Eine andere Frau war es nicht, doch wünschte sie beinahe, es wäre so. Zwar hatte sie nicht die geringste Ahnung, was schiefgegangen war, aber sie brauchte Truman nur in die Augen zu sehen, um zu wissen, daß die Dinge schlecht standen. Seit kurzem ging er abends nach der Arbeit in eine der umliegenden Kneipen, um dort »abzuschalten«, und kam erst gegen Mitternacht mit wildem Blick und einer hochprozentigen Fahne hereingewankt, abweisend wie ein Außerirdischer, der von einem anderen Stern neben ihr im Bett gelandet war. Abschalten. Ja. Aber schon seit einer Weile – diesen ganzen verteufelten Sommer lang – wurde er immer merkwürdiger und zurückgezogener, so daß sie ihn kaum noch wiedererkannte.

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