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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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dramatischer Geste vom Tisch ab und warf die Arme in die Höhe wie eine Varietésängerin. »Dope!« verkündete sie. »Gelber Libanese!« Sie habe, versicherte sie, das beste, reinste, stärkste Haschisch, einfach wahnsinnig, ungestreckt, absolut dröhnend, das hervorragendste Dope, das sie je würden probieren dürfen, und sie habe sogar, setzte sie mit einem schiefen Grinsen hinzu, fünf Gramm zu verkaufen. Zwar sei sie versucht, es allein für sich zu behalten – nur um immer was davon dazuhaben, sie wüßten ja –, und normalerweise mache sie solche Sachen wie Dealen und so ja auch nicht, nur brauche sie eben, na ja, momentan ein bißchen Cash.
    Jessica bemühte sich, sie bemühte sich redlich. Aber diese Frau mit dem Waschbärpelzmantel hatte irgend etwas an sich, das sie im Innersten ihrer Seele irritierte, so daß sie am liebsten die Zähne gefletscht und sie angefaucht hätte. Nicht nur, daß Mardi primitiv, laut, verschlampt und aufdringlich war – es hatte eine tiefere Ursache. Irgend etwas im Klang ihrer Stimme, ihrer Art, sich zu bewegen, mit dem Finger über den weggeschminkten Leberfleck im Mundwinkel zu streichen oder durch die Lücke zwischen den Vorderzähnen zu atmen, irgend etwas an Mardi brachte Walters gutmütige Gattin aus dem Gleichgewicht. Jedes ihrer Worte, jede ihrer Gesten war ein Splitter, den sie Jessica unter die Nägel trieb.
    Mardi war stoned und quasselte ununterbrochen. Ausführlich und wirr erzählte sie, wie sie zwei ihrer Professoren am Bard College verführt hatte, fachsimpelte mit Tom über Motorräder – sie würde sich ja im Frühling die große Honda, die 750er, zulegen – und bekam einen Lachanfall bei der Erinnerung an ein Erlebnis bei irgendeinem Konzert, auf dem die beiden gewesen waren. Zwischendurch zog sie eine Pfeife aus der Innentasche des Waschbärmantels, zündete sie an, nahm einen gewaltigen Zug davon und gab sie an Tom weiter. Harzig und satt, mit einem Duft, der sogar den beißenden Gestank des qualmenden Holzes überlagerte, erfüllte das Aroma des schwelenden Rauschmittels die Hütte. Tom reichte Jessica die Pfeife.
    Was Haschisch anbelangte, war Jessica keineswegs unerfahren. Hustend wie ein Tuberkuloseopfer hatte sie im Studentenheim mit ihren Zimmergenossinnen die eine oder andere Wasserpfeife geraucht und des öfteren hinter dem »Elbow« aus Walters mit Stanniol ausgekleideter Pfeife einen verstohlenen Zug gemacht, und sie war immer gut drauf gewesen, alles super. Mardis Stoff aber überrumpelte sie. Vor allem nach dem vielen schlechten Wein, dem Tofu und Tom Cranes eigenem, fest gedrehten kleinen Gras-Joint. Fünf Minuten nachdem Mardi die Pfeife angeraucht hatte, war Jessica, als sänke sie durch den Boden hindurch, gewaltige pulsierende Farbflecken blitzten in ihrem Blickfeld auf wie Rasterpunkte auf einer leeren Leinwand. Die Übelkeit, die sie bereits vorher gespürt hatte, wanderte auf einmal aufwärts, aus den Eingeweiden in den Magen, und kroch ihre Kehle hinauf wie die körperlose Hand in Das Ungeheuer mit fünf Fingern . Sie begann zu würgen, wollte gerade aufspringen, zur Tür hinausstürmen und Kürbis, Tofu, Naturreis und sauren Weißwein in die kristalline, unverfälschte Nacht erbrechen, als die Tür von selbst aufging.
    Und wer stand da, gestützt auf sein gesundes Bein und umrahmt von ebendieser arktischen Nacht, in einem Wintermantel von der Heilsarmee und einem völlig verdreckten Schal voller abgerissener Blätter, Kletten, Zweige und sonstigem Unrat des Waldes? Wem konnten diese Dingo-Stiefel gehören, die bis zur Unkenntlichkeit verdreckt waren? Wer sah aus, als wäre er nicht einmal oder zweimal, sondern unzählige Male ausgerutscht und zu Boden gefallen? Es war Walter.
    General MacArthur bei seiner Landung auf den Philippinen hätte kaum mehr Aufregung verursachen können. Tom sprang auf, durchquerte mit zwei großen Sätzen den Raum und begrüßte den verirrten Wanderer mit Schulterklopfen, Jessicas Magen beruhigte sich kurzfristig, und auch sie sprang auf, um ihn zu umarmen und mit einem Kuß zu begrüßen, und Mardi rührte sich zwar nicht von der Stelle, leistete sich aber dafür ein breites, boshaftes, laszives Grinsen und ließ das Licht des Erkennens – des Erkennens im engsten, höchst euphemistischen biblischen Wortsinn – in ihren vollkommenen, gletscherkalten, tiefliegenden und spöttisch funkelnden violetten Augen aufblitzen.
    Also gut. Fragen stürmten auf ihn ein. Nein, gegessen hatte er noch nichts. Klar,

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