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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Lebensart sollte Jan Pieterse sein Mittelsmann sein. Gegen ein Entgelt natürlich.
    Sachoes hatte freilich von alledem keine Ahnung – konnte sich nicht einmal ansatzweise die Polder und Deiche und Kopfsteinpflaster, die Fabriken, Brauereien und die gemütliche Schlichtheit der guten Stuben jener fernen, legendären holländischen Heimat vorstellen –, aber er wußte, daß am nächsten Morgen, sobald die blassen Streifen des arktischen Tageslichts aufleuchteten, Nichts-als-Mund auf der Schwelle seiner Hütte stehen würde, im Schlepptau diesen großen, schnurrbärtigen, schwabbelbäuchigen patroon- Häuptling . Und der patroon- Häuptling lechzte danach zu besitzen, was niemand zu besitzen ein Recht hatte: den unvergänglichen Boden unter seinen Füßen. Aber was konnte Sachoes tun? In den Wäldern krepierte jämmerlich das Jagdwild, Mutter Mais lag bis zum März im Koma, und sein Volk gierte nach allem, was der Händler zu verkaufen hatte. Wenn er nicht mit Jan Pieterse einig wurde, dann würde es Wasamapah werden, sein erbitterter Rivale um die Macht über den Stamm, ein Mann, der Kredit begriff, mit dem Wind Zwiesprache hielt und hohe Bäume mit einem einzigen Satz übersprang. Und Manitou mochte dem alten Häuptling beistehen, wenn er sich von Nichts-als-Mund und dem patroon- Häuptling überlisten ließe.
    Aber sie haben ihn doch überlistet, sagte Walters Großmutter und stand mit einem Seufzer auf, um sich in der Küche die Hände zu waschen. Und weißt du, wie sie’s gemacht haben? fragte sie über die Schulter.
    Walter war neun Jahre alt. Höchstens zehn. Er wußte nicht allzuviel. Wie denn? fragte er.
    Sie kam ins Zimmer zurückgeschlurft, eine große, grauhaarige Frau in einem bunten Kattunkleid, und rieb Daumen und Zeigefinger aneinander. Geschmiert worden ist jemand, sagte sie, so haben sie’s gemacht.
    Als Sachoes sich am nächsten Morgen mit Nichts-als-Mund und dem patroon -Häuptling und dessen Bruder im Zelt zusammensetzte, war auch Wasamapah dabei. Und dies mit gutem Grund. Denn Wasamapah war das Gedächtnis des Stammes. Jedesmal, wenn eine Klausel des Vertrags vereinbart wurde, wählte er aus dem Haufen, der vor ihm auf der Erde lag, sorgfältig eine der Austern-, Venus- oder Miesmuscheln aus und fädelte sie auf eine lange Lederschnur. Jede Klausel, jede Bedingung, jeder Zusatz und jeder Nachtrag hatte seine eigene Muschel zur Kennzeichnung; und später, wenn der Staub sich über den riesigen Berg von ausgetauschten Geschenken gelegt hätte, würde Wasamapah den Rat der Ältesten zusammenrufen und ihnen wieder und wieder die Bedeutung jeder einzelnen abgestoßenen und rundgewaschenen Muschel erklären.
    Und so geschah es. Sachoes setzte sein unbewegtestes Gesicht auf, der patroon -Häuptling zog unruhig an den Gelenken seiner plumpen Finger, Nichts-als-Mund redete, bis er heiser war, und Wasamapah fädelte Muscheln auf. Würdevoll und mit einer Erhabenheit und Gemütsruhe, die seine Nervosität überspielte, akzeptierte Sachoes die Geschenke, stellte im Namen des Stammes seine Forderungen und gab hie und da widerwillig dem verbalen Ansturm von Nichts-als-Mund nach. Dann rauchten sie eine Pfeife und aßen ein Festmahl, wobei der patroon -Häuptling nur wenig von der Rinderzunge in Maisbrei nahm, dafür aber um so kräftiger bei den holländischen Sachen zuschlug, die er mitgebracht hatte – stinkenden Käse, steinhartes Brot, gesalzenes Dies und eingelegtes Das. Die neuerworbenen Hunde kümmerten sich um die Überreste.
    Als er an der Pfeife zog, an dem übelriechendem Käse nagte und auf der Rinderzunge herumkaute, war Sachoes in bester Laune. Zusätzlich zu dem Stapel von Geschenken, der sich vor dem Langhaus auftürmte und unter dem ganzen Stamm verteilt würde, hatte sein Verhandlungsgeschick Fässer mit Mehl, Decken und ballenweise Tuch, Zentner von Perlen, stabile eiserne Pflugscharen, Beile und Kochtöpfe eingebracht. Darüber hinaus hatte er den Bruder des patroon -Häuptlings überredet, auf den Goldring an seinem kleinen Finger zu verzichten, Jan Pieterse war mit einem gerahmten Spiegel und einem Fäßchen Schwarzpulver dabeigewesen, und im krönenden Moment der Verhandlungen hatte der patroon- Häuptling höchstpersönlich Sachoes seinen großen, breitkrempigen Spitzhut übereignet, auf dem eine Feder prangte, die halb so lang war wie sein Arm. Und das beste dabei war, daß Sachoes dafür praktisch nichts hatte hergeben müssen – bloß ein kleines Stück Land, das sich vom Blue

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