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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Hoffnung verloren. Aufgegeben. Er saß in seinem Landhaus mit Wahwahtaysee, mit seinen ältesten Söhnen Matekanis und Witapanoxwe, und mit Mohonk, dem schlaksigen, plattfüßigen Jungen, der seine Mutter so enttäuschen sollte, und stocherte in der Glut aus Tabakbröseln und Kornelkirschrinde im Kopf seiner Pfeife. Jeden Morgen stand Jan Pieterse an der Tür und brachte Geschenke. Ein Paar gelbäugiger Hunde, Kessel, die härter als Stein waren, Messer, Scheren, Äxte, Decken, bunte Glasperlen, neben denen selbst die blankpolierteste wampumpeak -Muschel nur wie ein hübscher Kiesel aussah. Ja, Geschenke: aber jedes Geschenk hat eben seinen Preis.
    Als Jan Pieterse sechs Jahre zuvor bei ihnen aufgetaucht war, hatten die Kitchawanken nicht nur den unerschöpflichen Vorrat an gut verarbeiteten und wundersamen Dingen bestaunt, die er für den Tauschhandel mitbrachte, sondern auch seine Hartnäckigkeit und Raffinesse beim Feilschen und seinen nie versiegenden Redefluß in plumpem, verballhorntem mohikanischen Dialekt, der sich von seinen Lippen ergoß. »Nichts-als-Mund« nannten sie ihn, und stolz und würdevoll gingen sie zu ihm, um ihre Felle gegen die feinen Waren einzutauschen, mit denen seine kleine Schaluppe bis zu den Dollborden beladen war. Doch er wollte von ihnen nicht nur Biberpelze, nein – das Land wollte er haben. Es ging ihm um Blue Rock und das umliegende Gebiet. Als Häuptling und großer alter Mann der Stammespolitik übernahm es Sachoes, mit ihm zu verhandeln.
    Und was bekam Sachoes als Gegenleistung für das Land, auf dem Nichts-als-Mund die kistenförmige, ungastliche Festung seines Handelspostens errichtete? Gegenstände. Besitztümer. Objekte der Begierde und des Neides. Äxte, deren Schäfte splitterten und deren Schneiden stumpf wurden; Krüge, die entzweibrachen; Scheren, die Rost im Gelenk ansetzten und dann nicht mehr zu gebrauchen waren; und die glänzenden, unwiderstehlichen Münzen, die Diebstahl und Mord in das Rindenhüttendorf an der Acquasinnick Bay brachten. Und wo waren diese Gegenstände jetzt? Alle spurlos dahingeschwunden – sogar die Decken hatte eine mysteriöse Fäulnis von innen heraus zerfressen –, während die Biber, die ihren Erwerb ermöglicht hatten, inzwischen so spärlich geworden waren wie Haare auf dem Schädel eines Mohawk. Nichts-als-Mund war kein Dummkopf. Er hatte das Land. Unvergänglich und ewigwährend.
    In der ersten Zeit war Jan Pieterse zu ihnen gekommen. Jetzt aber kamen sie zu Jan Pieterse. Dezimiert von der englischen Krankheit, benommen vom Schnaps, ausgehungert vom härtesten Winter, an den sich selbst Gaindowana, der Stammesälteste, erinnern konnte, schleppten sie sich in ihrer Not wie geschlagene Hunde vor die große, verrammelte Tür des Handelspostens von Nichts-als-Mund und flehten ihn an im Namen des Landes, das sie ihm gegeben hatten. Sie wollten Stoff, Nahrung, Dinge aus Eisen, schöne Dinge – und, zu ihrer ewigen Schande, sie wollten auch Rum. Sicher, erwiderte ihnen Nichts-als-Mund, natürlich und warum denn nicht. Kredit, sagte er in seinem marktschreierischen Kauderwelsch, ein holländisches Wort, das tief in dem erfreulich klingenden Satz auf mohikanisch schwärte: Ihr kriegt alle Kredit, und ganz besonders du, mein verehrter Freund, mein lieber, lieber, lieber Sachoes.
    Umsonst ist der Tod, sagte Walters Großmutter und machte mit einer knappen Drehung des kleinen Fingers dem hinteren Karpfen ein rundes Glotzauge. Der alte Häuptling stand bei dem schlauen Holländer in der Schuld, und er wußte es.
    Nun hatte Jan Pieterse, so geht die Geschichte, einen Freund. Zwei Freunde. Das waren die Brüder Van Wart, Oloffe und Lubbertus. Oloffe hatte Einfluß in der Compagnie und bekam von den Hochmögenden Herren eine patroonschappij zugesprochen, die nicht nur das gesamte Stammesterritorium der Kitchawanken umfaßte, sondern auch das der Sint Sinks und der Weckquaesgeeks. Sie war längst abgegrenzt und in den Karten verzeichnet, genug für ihn und seinen Bruder und die halbe Bevölkerung der Niederlande dazu. Er mußte nur noch die ursprünglichen Besitzer dafür entschädigen. Diese aber waren, wie jedermann in Haarlem wußte, eine Horde von nackten, primitiven, trunksüchtigen, seuchengeplagten Bettlern, die nicht einmal ihre Finger und Zehen zusammenzählen, geschweige denn Land vermessen oder das Kleingedruckte in einem wichtigen, bindenden, gesetzmäßigen, hieb- und stichfesten Vertrag lesen konnten. Als Kenner der indianischen

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