Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
aufgeblasenen Klage des Ochsenfrosches. Wouter hatte sich mit sechs Plätzchen aus dem Staub gemacht. Drei davon reichte er seinem Vetter.
    Lange Zeit kauten sie nur stumm, das Wasser umspülte die Felsen zu ihren Füßen, Moskitos schwirrten durch die Luft, Grillen zirpten. Dann brach Wouter das Schweigen. »Ich will verdammt sein, wenn ich mir für den patroon den Rücken zerschinde«, stieß er in einer Art versonnenem, oktavenübergreifendem Aufschrei hervor. Er stand in einer Phase des Lebens, in der sein Vater eine kleine Gottheit für ihn war, angebetet, weise und unfehlbar, ein kompetentes Orakel für alle Wahrheiten und Entscheidungen. Wenn Jeremias ihm einreden wollte, Gänse verstünden etwas von Algebra und der Bach flösse bergauf, würde er niemals daran zweifeln, trotz offensichtlicher Beweise für das Gegenteil.
    Jeremy sagte nichts. Was nicht ungewöhnlich war, da er nur selten sprach, selbst wenn man ihn etwas fragte. Der große, dunkle Junge hatte die spinnenartigen Gliedmaßen und den hervorspringenden Adamsapfel seines verstorbenen Erzeugers geerbt, und obwohl er sowohl Holländisch wie Englisch konnte, verwendete er beide Sprachen nicht; vielmehr kommunizierte er mit Gurgel-, Grunz- und Rülpslauten oder mit Hilfe einer ausgefeilten Zeichensprache, die er selbst erfunden hatte.
    »Du weißt genau, vader wird es nicht tun«, sagte Wouter, fing ein Glühwürmchen aus der Luft und schmierte sich das phosphoreszierende Licht in einem grünlichen Streifen über den Arm. »Er ist kein Sklave.«
    Die Nacht um sie herum wurde dichter. Irgendwo stromabwärts, in Richtung der Brücke, klatschte etwas. Jeremy sagte nichts.
    »Am Ende sind nämlich wir wieder dran«, sagte Wouter. »Vader wird’s nicht tun, und dann bringen moeder und grootvader Cats uns dazu. Genau wie damals mit dem Holz. Erinnerst du dich?«
    Das mit dem Holz. Ja. Jeremy erinnerte sich gut. Als im vergangenen November die Pacht fällig war und Jeremias sich wutschnaubend im Hinterzimmer verriegelt hatte, da waren es nicht nur Pfund und Pence, nicht nur Butter, Weizen und Poularden gewesen, die der patroon forderte, sondern zwei Klafter Brennholz obendrein. Auf keinen Fall wird mein Sohn , wetterte Jeremias, und mein Neffe auch nicht... doch seine Stimme verklang, er nahm einen Schluck aus der Flasche und wankte in den Hof hinaus, um allein zu sein mit seiner Empörung und seinem Zorn. Neeltje, moeder Neeltje, hatte dafür gesorgt, daß Wouter, Harmanus und Jeremy das Holz für den patroon schlugen und kleinhackten. Zu dritt – Harmanus war erst acht und zu nicht viel nütze – arbeiteten sie zwei bitterkalte Nachmittage hindurch, und dann mußten sie noch den Ochsenkarren anspannen und das Brennholz zum oberen Gutshaus hinaufbringen, damit die verrückte Mutter des patroon sich wärmen konnte, dieses alte Gerippe, das dort lebte, seitdem der alte Gutsherr abgekratzt war. Im November hatte das Holz geschlagen werden müssen. Und jetzt im Juli mußte die Straße verbreitert werden.
    »Na, also, ich mach es jedenfalls nicht«, knurrte Wouter. »Ganz egal, was moeder dazu sagt.«
    Obwohl er ihm aus vollem Herzen beipflichtete, sagte Jeremy immer noch nichts.
    Lange Minuten verstrichen, ringsherum knisterte der nächtliche Wald, das Wasser plätscherte noch lauter über die Steine unter ihnen. Wouter warf eine Handvoll Kiesel in den schwarzen Strudel, dann stieß er sich hoch. »Was sollen wir nun tun?« fragte er. »Ich meine, wenn der patroon kommt.«
    Jeremys Stimme war so kehlig, so gepreßt, so voller Schnalzer und Grunzlaute und Pausen, daß ihn niemand außer Wouter, sein Busenfreund und Bettnachbar, überhaupt verstanden hätte. Doch Wouter verstand ihn so deutlich, als wäre es das reinste Oxford-Englisch – oder Leydener Holländisch –, und er lächelte in der Dunkelheit vor Befriedigung. Was sein Vetter gesagt hatte, in seiner rätselhaften, verzerrten Redeweise, war folgendes: »Kommt patroon , wir erledigen ihn.«
    So unabwendbar wie Frost im Winter, wie Mehltau oder Brotschimmel, wie die Krähe sich auf den toten Ochsen stürzt oder die Fliege über der Schüssel mit aufgehendem Hefeteig schwirrt, kam der patroon. Er kam mit der Schaluppe, legte bei Jan Pieterses Kill an, und mit ihm kamen seine Frau Hester Lovelace (die dank einem glücklichen Zufall die Nichte des mächtigsten Mannes von New York war, nämlich Seiner Lordschaft des Gouverneurs), seine vier Kinder, Möbel für drei Zimmer, zwei Kisten mit Geschirr, ein

Weitere Kostenlose Bücher