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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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seine Obsession geworden, ein unbezähmbarer Wunsch, das einzige, was ihn die gepflasterten Straßen, die gemütlichen Kneipen, die Musik, Kunst und Gesellschaft von Leyden und Amsterdam vergessen ließ. Er musterte die sonnenverbrannten Gesichter der Farmer, die gekommen waren, um eine Straße für ihn zu bauen – eine Straße, auf der dankbare Bauern in Scharen vom Fluß heraufziehen würden, um für ihn die Bäume zu fällen, die Stümpfe abzubrennen und den Boden zu pflügen –, und für den Bruchteil einer Sekunde sah er es alles vor sich, wie es eines Tages sein würde: die Hügel voller wogender Weizenfelder, aus dem Sumpfland sprießende Zwiebeln, Gurken und Kürbisse und Kohlköpfe, angehäuft wie Schätze, wie Goldstücke ...
    Doch dann räusperte sich einer der Bauern und ergriff das Wort, und das Bild verflog. Es war Robideau, ein verbitterter, lederhäutiger Franzose; er hatte ein Ohr bei einer verheerenden Schlägerei vor Ramapos Kneipe verloren, die eine Woche danach unter ungeklärten Umständen bis auf die Grundmauern niedergebrannt war. Robideau saß hoch oben auf dem harten Kutschbock seines Wagens, seine dicht beieinanderstehenden Augen funkelten, und er knallte nachlässig mit der Peitsche nach den Fliegen, die sich auf den Flanken seiner ausgemergelten Ochsen niederließen. »Und wo ist Van Brunt?« fragte er. »Der mit’m Holzbein. Was ist mit dem?«
    Van Brunt? Einen Augenblick lang war der patroon verwirrt, denn er hatte die Erinnerung an jene lang vergangene und unerfreuliche Konfrontation so erfolgreich verdrängt, daß ihm Jeremias’ Existenz nicht mehr gewärtig war. Doch im nächsten Moment war er wieder dort, in jener erbärmlichen Kate, der schout lag hingestreckt auf dem harten Lehmboden, Jeremias Van Brunt lehnte sich gegen ihn auf, forderte ihn mit einer primitiven Schlagwaffe der Eingeborenen heraus, und die schlanke, hübsche Neeltje Cats mit den dunklen Augen sah von ihrem Lotterbett aus zu. Neeltje gehört Euch nicht , hatte Jeremias gesagt. Und ich ebensowenig.
    »Hat vielleicht damit zu tun, daß er dem schout seine Tochter geheiratet hat – kriegt er deswegen ’ne Extrawurst?«
    Van Brunt. Ja, zum Donnerwetter, wo war er? Stephanus wandte sich an den schout , der am Vorabend aus Croton heraufgeritten war, um die Straßenbauarbeiten zu überwachen. »Nun?« fragte er.
    Cats, fast bis zum Boden gebeugt, schlurfte heran und brachte seine Entschuldigungen vor. »Ich weiß nicht, wo er ist, mijnheer«, sagte er stockend und widerwillig, als ob er an jedem Wort würgte. »Ich habe ihn benachrichtigt, und – und er sagte, er würde kommen.«
    »Aha, soso, hat er das gesagt?« Der patroon lehnte sich im Sattel nach vorn, die gerafften, aufgeplusterten Falten seiner Reithosen flatterten ihm um die Strümpfe, die Schnallenschuhe und bis auf die Steigbügel. »Wie großzügig von ihm.« Dann richtete er sich wieder auf, so daß er hoch über dem schout aufragte wie ein zum Leben erwachtes Reiterstandbild, und fluchte so unflätig und leidenschaftlich, daß der junge Johannes Musser erschrocken die Hand vor den Mund hob und Mistress Sturdivant, die stämmigste Frau in ganz Van Wartwyck, auf der Stelle in Ohnmacht fiel. »In einer Stunde ist er mir hier«, stieß er zwischen den zusammengepreßten Zähnen hervor. »Verstanden?«
    Der Tag war zur Hälfte vorbei und der patroon so sehr in Rage, daß er sich einem apoplektischen Anfall näherte, als endlich der Wagen der Van Brunts, gezogen von einem Paar abgehärmter, zahnloser und huflahmer Ochsen, an der Wegbiegung auftauchte und in schläfrigem Tempo auf die Gruppe der Arbeiter zuhielt. Joost Cats, der seinen Klepper am Zaumzeug führte und so tief gebückt ging, daß es aussah, als würde er gleich der Länge nach in den Dreck fallen, hinkte nebenher. Der patroon sah mit wütender Miene kurz auf, wandte sich dann dem Bauern zu, der ihm am nächsten stand – dem jungen Oothouse –, und begann eine angeregte Unterhaltung über Kuhdung oder Trockenfisch oder einen ähnlichen Unsinn; er hatte nicht vor, Van Brunt damit Genugtuung zu verschaffen, daß er, Stephanus Oloffe Rombout Van Wart, Grundbesitzer, patroon , Reedereimagnat und Mitglied des Gouverneursrats, ob des Verbleibs einer so unwichtigen Kreatur auch nur die geringste Unruhe verspürte.
    Die Arbeiter – Männer wie Frauen, einschließlich der wiederbelebten Mistress Sturdivant – hatten bereits den zu verbreiternden Weg vor dem Haus des patroon gerodet und begradigt,

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