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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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patroon , Lubbertus’ Sohn Adriaen mit dem rübenförmigen Kopf und fetten, feuchten Lippen) sowie die gleichzeitige Rückkehr des grünäugigen Halbindianers mit einer schüchternen Weckquaesgeek-Braut und einem dreiviertelindianischen Sohn. Adriaen Van Wart war zwar kein richtiger patroon – Stephanus hatte dem Vetter seinen Anteil an den Ländereien längst ausbezahlt –, doch ein schlichter Hausverwalter, wie vor ihm Gerrit de Vries, war er auch nicht. Seine Rolle war offenbar die eines Platzhalters, wie ein Bauer, Springer oder Turm, der ein strategisch wichtiges Feld besetzt, bis der Großmeister beschließt, ihn entweder zu opfern oder ins Spiel zu bringen. Im übrigen war er ein korpulenter, behäbiger, in zerbeulten Hosen umherlaufender Sproß der unbedeutenderen Van-Wart-Linie, geboren im Todesjahr seines Vaters, aufgezogen von seiner aus Amerika heimgekehrten nervösen Tante in Haarlem (wo er, wie seine Mutter hoffte, eine höhere Bildung genießen und dann zum Direktor der familieneigenen Brauerei aufsteigen würde, sich jedoch weniger im Brauen als vielmehr im Saufen von Bier übte), der nun, angezogen von seinem einflußreichen Vetter, in die Neue Welt ging, um dort sein Glück zu machen. Er war achtzehn Jahre alt, unverheiratet, fett und strohdumm. Seine Mutter war tot, seine Schwester Mariken lebte mit ihrem Mann in Hoboken. Vetter Stephanus war sein einziger Halt auf der Welt, also mochten ihn Gott und Sankt Nikolaus beschützen.
    Und Jeremy?
    Noch nicht einmal siebzehn, war er schon ein gemäß den Sitten und Bräuchen der Weckquaesgeeks verheirateter Mann und Vater eines neun Monate alten Jungen. Gesund war er auch, mit schlanken Gliedern und scharfen Augen, und die urwüchsige Küche schien ihm gutgetan zu haben – an Brust und Schultern hatte er Fleisch auf den Knochen, und wo früher die Bohnenstangen seiner Beine irgendwie mit dem Rumpf verschmolzen waren, da zeigten sich jetzt unverwechselbar die Rundungen eines Hinterteils. Die Gabe des Sprechens schien er in der Zwischenzeit allerdings gänzlich verloren zu haben. Was als Hang zur Schweigsamkeit begonnen hatte, oder vielmehr als Unlust, Substantiv, Verb, Konjunktion, Adjektiv und Präposition zu gebrauchen, hatte während seines Aufenthaltes bei den Weckquaesgeeks extreme Formen angenommen. Ausgelöst worden war die Entwicklung möglicherweise von einer besonders schmerzhaften Erinnerung an seine früheste Kindheit bei dem vom Pech verfolgten Stamm, an jene Zeit, in der seine Mutter verwahrloste und er endlose Quälereien durch seine ausnahmslos dunkeläugigen Spielgefährten erdulden mußte. Vielleicht war die Ursache aber auch eine körperliche, irgend etwas, das mit der Pathologie des Gehirns zu tun hatte, ein Versagen des Sprachzentrums, eine Aphasie. Wer wußte das schon? Gewiß nicht die braven Schamanen und Medizinfrauen der Weckquaesgeeks, die genug damit zu tun hatten, die Ströme von Blut zu stillen, die dank der Sintflut von Mißgeschicken, die ihrer linkischen Kundenschar tagtäglich widerfuhren, flossen, und daher kaum wahrnahmen, daß der rehabilitierte Squagganeek nicht viel zu sagen hatte. Und ganz bestimmt nicht ein Arzt wie der gelehrte Huysterkarkus; wäre er konsultiert worden, hätte er zweifellos Aderlaß, Brech- und Abführmittel, Kauterisation und Schröpfegel in willkürlicher Reihenfolge verschrieben.
    Doch mochte Jeremy auch die Kunst des Sprechens verlernt haben, so versorgte seine wundersame Wiederkehr, gemeinsam mit der Ankunft des Adriaen Van Wart, die Klatschmäuler auf jeden Fall mit reichlich Stoff für die nächsten Monate: Wenn man bedenkt, wie lange das jetzt her ist, und was hätte man denn anderes annehmen sollen, als daß er tot war und von wilden Tieren zerrissen. Verdient hätte er’s ja allemal, wo er einfach vorm Gesetz davongerannt ist, und dann taucht er plötzlich vor der Tür seines Onkels wieder auf, verzieht keine Miene, als wäre er bloß eben mal ein bißchen spazieren gewesen oder so. Und diese Frau, die er mitgebracht hat ... kaum älter als ein Kind, trägt am Leib nichts als speckige Lederfetzen, stinken tut sie wie ein Kehrichthaufen, und auf dem Rücken schleppt sie in einem von diesen Weidenkörben seinen kleinen Halbblut-Bastard herum – ach so, der Balg ist ja wohl ’ n Dreiviertelblut, was? Geredet hat er aber nichts, kein Wort. Goody Sturdivant meint, er hat sicher sein Holländisch und Englisch einfach vergessen, wo er doch so lange unter den Heiden gelebt hat (genau wie

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