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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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vor ihm seine Mutter, also das ist doch nun wirklich ein trauriger Fall gewesen, was?) und immer bei ihren unzüchtigen, gottlosen Zeremonien und wer weiß was noch allem dabei war. Mary Robideau dagegen glaubt, daß sie ihm die Zunge rausgeschnitten haben, die Wilden, aber woher soll einer heutzutage noch wissen, was nun stimmt und was nicht? Und hast du dir schon mal den Vetter vom patroon angesehen – den, der jetzt oben im Gutshaus sein dickes, fettes Junggesellendasein verbringen wird? Ja, ja, das hab ich auch schon gehört – Geertje Ten Haer hat ihre Tochter herausgeputzt wie eine Dirne, ihre Jüngste, dabei ist die noch nicht mal fünfzehn – schamlos, nicht wahr? –, und kaum war dieser junge Fettklops eingezogen, da kam sie auch schon zu ihm auf Besuch mit ihr. O ja, ich weiß, ich weiß genau, was sie damit...
    Und so ging es weiter, bis Adriaen sich eingelebt hatte und der stille Jeremy und seine ebenso stille Frau wieder zum festen Inventar von Nysen’s Roost gehörten und das inzestuöse kleine Gemeinwesen Van Wartwyck in seinen Schlummer zurücksinken konnte.
    Für Wouter war die Rückkehr seines Vetters wundersam genug, doch ein viel größeres Wunder war, daß es überhaupt einen Hof gab, auf den er zurückkehren konnte. Der Herbst der drohenden Vertreibung war gekommen und vorbeigegangen, und immer noch gehörte die Fünf-Morgen-Farm auf Nysen’s Roost den Van Brunts. Am 15. November war der alte Ter Dingas Bosyn mit dem Fuhrwerk angerumpelt, um den Pachtzins zu kassieren, den vader , kriecherisch wie ein Schoßhündchen, prompt gezahlt und eigenhändig aufgeladen hatte. Als der erste Frost die Bäume in den Winterschlaf schickte, hatte sich der patroon mit seiner Familie nach Croton zurückgezogen und seinen schout , den Quallenfresser, gleich mitgenommen. Und das war’s dann. Keine Zwangsräumung. Ein weiteres Jahr zog ins Land, wieder beglich vader ohne Murren seine Pacht, wieder nahm sie der kugelrunde alte commis entgegen und notierte alles akribisch in den Tiefen seines Hauptbuchs. Wouter, der das Schlimmste befürchtet hatte – daß man sie aus ihrem Heim vertreiben würde, während seine Mutter und Schwestern die Hände rangen und sein Vater jaulte und winselte und dem patroon die Stiefel leckte –, war verblüfft. Ihm hatte vor dem Tag gegraut, vor dem Hohn des Gutsherrn, vor dem verkrüppelten Zwerg mit dem bösen Blick, vor dem nackten kalten Stahl des Rapiers, das einst seinem Vater das Gesicht zerfetzt hatte, doch dieser Tag kam nicht.
    Angeblich hatte sich der patroon erweichen lassen. Geesje Cats war vor der Mutter des patroon auf Knien gekrochen, und diese halsstarrige Alte, die Vergnügen und Bequemlichkeit so sehr verachtete, hatte sich für die Van Brunts verwendet. Jedenfalls erzählte man sich das. Und Wouter erinnerte sich auch an einen Tag Ende Oktober in jenem Schicksalsjahr, an dem Barent van der Meulen ihm und den übrigen Kindern Gesellschaft leisten gekommen war, während moeder und vader den Wagen angespannt hatten und für eine Zeit zu grootvader Cats nach Croton gefahren waren. Zwar wußte niemand, was dort vorgefallen war, aber Cadwallader Crane, der es von seinem Vater gehört hatte, behauptete, Neeltje und Jeremias hätten den patroon unermüdlich angefleht, Tag und Nacht im Garten vor seinen Fenstern gestanden und ihre Lehenstreue lautstark beteuert, ja sie seien so weit gegangen, vor ihm niederzuknien und seinen Handschuh zu küssen, als er des Morgens wegen des täglichen Ausritts zu den Stallungen schlenderte – all das in der Hoffnung, ihn zu einem Meinungsumschwung zu bewegen.
    Wie auch immer, das Ganze widerte Wouter an. Beinahe wünschte er, der patroon wäre gekommen und hätte sie von seinem Land gejagt; sie hätten nach Westen ziehen können, um noch einmal neu anzufangen, oder als Bettler auf den Straßen Manhattans hausen oder sich das Haar abschneiden, die Haut aufzuritzen und nackt unter den Indianern leben. Zumindest wäre sein Vater dann vielleicht wieder lebendig geworden. Wie die Dinge jetzt lagen, war er ein Sklave, ein Wallach, ein willenloses Tier, das nur auf der Welt war, den Herren zu dienen. Wie betäubt arbeitete er vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Dunkelheit auf den Feldern, weißelte das Haus, rodete neue Äcker, stellte Steinmauern auf – und all das für den patroon , zum Nutzen und zum Reichtum des Mannes, dessen Großmut er die Luft zum Atmen, das Wasser aus dem Boden und das Brot im Ofen verdankte. Seit jenem

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