Worldshaker
in eine Robe gewandet, wie Col sie vorher noch nie gesehen hatte: Sie war von cremig-weißer Farbe, mit langen, weiten Ärmeln und über und über mit religiösen Symbolen bestickt.
Jeder Schritt von Sir Mormus strahlte Erfolg und Herrschaft aus. In den vorderen Reihen saßen die Porpentines auf der einen und die Turbots auf der anderen Seite. Alle Herren trugen Abendanzüge mit Westen, die Damen spitzenbesetzte Abendkleider und Juwelen. Als das Gefolge des Bräutigams Platz nahm, gingen Sir Mormus und Col gemeinsam auf die Königin zu.
»Brust raus«, knurrte Sir Mormus. »Denk daran, wer du bist.«
Während sie auf das Brautgefolge warteten, drifteten Cols Gedanken davon. Wäre er doch nur der Revolutionär, als den Riff ihn gern gehabt hätte! Er malte sich aus, wie er mit ihr zum Orlopdeck hinunterschlich, die Tür aufschloss und das Seil hinabließ. Und dann nach und nach die Dreckigen begrüßte, die heraufkamen … und sie zum Oberdeck führte. Mit Riff an seiner Seite würde er eine große Rede gegen die Tyrannei halten … und die Offiziere und Wachmänner würden sich schämen für ihre Grausamkeit … die Elite würde die Dreckigen als Menschen anerkennen … alles würde sich ändern … mit Riff an seiner Seite …
Ein Raunen lief durch die Gemeinde und brachte ihn mit einem Ruck zurück in die Gegenwart. Er warf einen Blick über seine Schulter und sah, dass die Braut mit ihrem Gefolge die Kapelle betreten hatte.
Sephaltina schritt am Arm ihres Vaters. Nie hatte sie hübscher ausgesehen als in ihrem perlenbestickten Brautkleid sowie dem perlenbesetzten Diadem und Halsreif. Sie sah züchtig und strahlend zugleich aus. Ihre Wangen glühten im selben Rosaton wie ihr Brautstrauß. Sephaltina bezog ihren Platz neben Col.
Er biss sich auf die Lippe und guckte weg. Eine Stimme in seinem Kopf sagte: Wenn ihr ein Paar werdet, dann solltest du dir aber was aus ihr machen.
Den ersten Teil der Zeremonie nahm er kaum wahr. Erst sprach Königin Victoria, danach las Prinz Albert aus einem Buch vor. Dann sprach Königin Victoria über die Pflichten des heiligen Standes der Ehe, von guten und von bösen Tagen, und davon dass ein Ehemann seine Frau lieben und ehren soll, und eine Ehefrau ihren Mann lieben und ihm gehorchen soll.
Irgendwie war alles ganz unmöglich, ein großer Irrtum. Er konnte Sephaltina nicht lieben und ehren. Seine Gefühle hatte jemand anderes in Beschlag genommen. Er musste diese Hochzeit hier und jetzt stoppen. Sich einfach umdrehen und aus der Kapelle spazieren.
Und doch ging die Zeremonie genauso weiter, wie es die Ehrenwerte Hommelia Turbot gesagt hatte. Königin Victoria sah Col gerade in die Augen und stellte die Schicksalsfrage. »Willst du, Colbert Porpentine, die hier anwesende Sephaltina Turbot zur Frau nehmen? So antworte mit: Ja, ich will.«
Nein, hätte er sagen müssen. Nein, ich will nicht, und die Folgen in Kauf nehmen.
Die Königin lächelte und wartete auf seine Antwort. Er hatte das Gefühl, als würde er entzweigerissen. Das will ich nicht, das will ich nicht, das will ich nicht …
»Ja, ich will.«
Während er es sagte, war ihm, als hörte er eine Tür zuschlagen.
»Und willst du, Sephaltina Turbot, den hier anwesenden Colbert Porpentine zum Manne nehmen? So antworte mit: Ja, ich will.«
»Ja, ich will«, flüsterte Sephaltina.
»Dann erkläre ich euch hiermit, kraft meiner Würde als Oberhaupt der Staatskirche, zu Mann und Frau. Ihr dürft jetzt die Ringe tauschen.«
Sir Mormus hielt einen Goldring auf seiner Handfläche. Col starrte den Ring an, als gehörte er in eine andere Wirklichkeit. Dann nahm er ihn und drehte sich zu Sephaltina im gleichen Augenblick, als sie sich zu ihm hindrehte.
Wäre es nur eine andere gewesen, mit blond-schwarzen Haaren, hohen Wangenknochen und großen Augen. Die rosige Sephaltina war ihm völlig fremd.
Sie hielt ihm ihren zitternden Finger hin, und er steckte den Ring auf.
60
Die Hochzeitsfeier fand eine Stunde später im Großen Versammlungssaal statt. Über vierhundert Gäste tummelten sich auf der Tanzfläche unter der ovalen Kuppeldecke. Rosa Sträuße zierten die Marmorpfeiler; auf einem Banner, das sich vom Kronleuchter zu den Wänden spannte, prangten die Worte Porpentines & Turbots . An den Seiten waren Tafeln mit Essen und Getränken aufgestellt, fürs Erste noch mit schneeweißen Tischdecken diskret verhüllt. Dahinter stand eine Armee von Gesindlingen und Aufsehern bereit.
Die Königin und ihr Prinzgemahl
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