Worldshaker
kann doch nicht bleiben, wenn du gehst?«
»Warum nicht?«, fragte Professor Twillip.
»Ich habe keine Erlaubnis, mich allein in der Norfolk-Bibliothek aufzuhalten.«
»Kein Problem«, sagte der Professor. »Die Erlaubnis kann ich dir erteilen.«
»Und wenn es länger dauert als heute?«
»Oh, das wird es ganz bestimmt. Wenn du alles wissen willst, wird es Tage dauern. Aber solange ich hier bin, kann ich dir die Erlaubnis erteilen.«
»Damit wäre das also geklärt«, sagte Col.
Septimus strahlte.
24
Am nächsten Tag in der Schule war Col etwas misstrauisch gegenüber den Squellinghams. Er konnte nicht glauben, dass sie ihn fertigmachen wollten … und doch schien sich Septimus seiner Sache so sicher gewesen zu sein. Er hielt Ausschau nach irgendwelchen Anzeichen, konnte aber keine entdecken.
Der Tag verlief wie gewohnt bis zur letzten Unterrichtsstunde. Da klopfte es an der Tür, und Dr. Blessamy trat ein.
»Aufstehen, 4a!«, brüllte Mr. Gibber. Er verbeugte sich leicht vor dem Direktor, und dann brüllte er wieder: »Setzen, 4a!«
»Liebe Knaben.« Dr. Blessamy stand vor der Klasse, während hinter ihm Mr. Gibber hin und her tänzelte. »Morgen ist Freitag … und außerdem noch ein ganz besonderer Tag. Der Todestag unseres Gründervaters. Ein Tag zur Erinnerung an den allerersten Dr. Blessamy. Mein Ururgroßvater … oder möglicherweise Urururgroßvater.« Für einen Moment schien er den Faden verloren zu haben, dann fasste er sich wieder. »Der Dr. Blessamy, der diese Akademie 1851 gegründet hat. Ohne unseren Gründer gäbe es diese Schule nicht.« Er machte eine ausladende Geste. »Ich würde hier nicht zu euch sprechen, und ihr würdet mir nicht zuhören. Ich wäre nicht euer Direktor und ihr nicht meine Schüler. So aber sind wir hier alle beisammen. Und stehen. Sprechen. Hören zu. Schüler.«
Er ließ einen wohlwollenden Blick über die Klasse schweifen. Mr. Gibber, der jede seiner Gesten mit einer eigenen Geste untermalt hatte, ließ einen kampflustigen Blick über die Klasse schweifen.
»Für morgen, liebe Jungen, hat sich euer alter Direktor etwas ganz Besonderes … äh … arrangiert. Ausflug. Ja, einen Ausflug zum Grab unseres Gründervaters im Friedhofs-Raum. Wir werden in uns gehen und dem ersten Dr. Blessamy unsere Ehre erweisen. Danach hat jeder Zeit zur freien Verfügung, um seinen eigenen Ahnen die letzte Ehre zu erweisen. Es soll ein Tag der Ehrerweisung sein, und des Insichgehens und … äh … noch mehr Ehrerweisung.«
Da Dr. Blessamy die Worte ausgingen, trat Mr. Gibber nach vorn und brüllte: »Und was sagen wir jetzt, 4a? Wir sagen Danke, Dr. Blessamy! «
Die Klasse brüllte eine 1:1-Kopie von Mr. Gibbers Danke, Dr. Blessamy!
Dr. Blessamy zuckte zusammen, blinzelte, lächelte verkrampft und zog sich zurück.
Col war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Die Friedhofs-Räume … dahin war er mit Riff auf der Flucht vor dem Offizier gelaufen, und dann waren sie vor den Geistern geflüchtet. Er dachte an die weiche, bröcklige Erde, den muffigen Schimmelgeruch. Und was ihm besonders in Erinnerung geblieben war, war der Moment, als Riff voller Panik seine Hand ergriffen hatte. Fast konnte er spüren, wie ihn ihre Finger berührten.
Während des Unterrichts dachte er immer wieder an die Friedhofs-Räume, und auch noch auf dem Heimweg und nachmittags beim Tee im Somerset-Salon. In seinem Kopf begann ein Plan Gestalt anzunehmen, der so kühn war, dass er ihm anfangs wie ein Tagtraum vorkam.
Auf den Tee im Somerset-Salon folgte ein Klaviervortrag von Gillabeth im Lancashire-Salon. Ebnolia hatte Gäste aus vielen Familien eingeladen, und mehrere Reihen von Stühlen waren bereitgestellt worden. Gillabeths strenges braunes Kleid war für diesen Anlass mit einigen geblümten Schleifen aufgelockert worden, aber nichts vermochte, ihr kantiges Porpentine-Kinn abzumildern. Sie spielte korrekt und nüchtern – so wie sie alles korrekt und nüchtern erledigte – eine Reihe von Stücken eines Komponisten aus der Alten Heimat, und das Publikum applaudierte artig. Trotzdem hinterließ Gillabeth den Eindruck, dass sie die Tasten lieber zermalmt hätte als auf ihnen zu spielen.
Col musste sich ermahnen zu klatschen. Die einzelnen Teile seines Plans begannen, sich zu einem Ganzen zu fügen. Er baute darauf, dass Dr. Blessamy den Schülern am morgigen Tag ausreichend Zeit zur freien Verfügung versprochen hatte, damit sie die Gräber ihrer eigenen Ahnen aufsuchen konnten. Wenn er
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