Worldshaker
aufschlug, sah sie ihn an, die Augenbrauen hochgezogen, mit einem fragenden Gesichtsausdruck.
»Wir stecken ja voller Überraschungen, oder wie?«
Sie schien nicht sonderlich schockiert zu sein. Er schon. Er konnte nicht glauben, was er gerade versucht hatte. Selbst bei einem Dreckigen wäre ein solches Benehmen nicht akzeptabel. Und dieses Stöhnen, das ihm rausgerutscht war … wie bei einem Tier! Dafür gab es keine Entschuldigung und keine Rechtfertigung. Wo kam das her, diese dunkle Welle, die in ihm aufgestiegen war? Wo hatte sie sich die ganze Zeit verborgen gehalten? Als ob er jemand anderes wäre. Er würde sich nie wieder selbst trauen können.
Sie befreite ihre Arme und Beine und sprang auf. »Okay, komm. Weiter geht’s.«
Das Training ging weiter, aber Col war nicht mehr bei der Sache. Als sie dieselbe Übung wiederholten, wich Riff seinem Angriff mühelos aus. Er hatte keine Angst, sie zu treffen; er hatte vielmehr Angst, sie zu berühren. Er wollte das Risiko nicht noch einmal eingehen, die Kontrolle über sich an seinen Körper abzutreten.
»Was ist los mit dir?«, fragte sie nach einer Weile.
Er antwortete ihr nicht. Er hatte ständig das Bild vor Augen, wie sie sich von ihm weggedreht hatte. Wenn sie mit Padder zusammen war, konnte sie sich natürlich nicht von irgendwem anders küssen lassen. Ein Gefühl der Scham und der Demütigung lag ihm in der Magengrube.
Schließlich ließ Riff es genug sein. »Ich schätze, du bist nicht fit genug, um pausenlos zu trainieren.«
»Ich bin nicht müde.«
»Ich glaub schon. Du lässt nach.«
»Ich wünschte, ich hätte mehr Zeit. Ich bin noch nicht so weit, um morgen zu kämpfen, oder?«
Riff zuckte die Schultern. »Du kannst trotz allem gewinnen. Du musst wie ein Sieger denken.«
Col nickte, aber er glaubte nicht daran.
48
Am letzten Schultag gab es keinen Unterricht. Mr. Gibber tätschelte Murgatrudd in seinem Papierkorb und überließ es der Klasse, sich zu amüsieren, so gut sie konnte. Die meisten von ihnen spielten Galgenmännchen oder Schiffe versenken. Col war nicht überrascht, dass ihn niemand fragte, ob er mitmachen wollte.
Was ihn allerdings überraschte, war, dass ihn einige der Kriecher und der Schufter etwas mitleidig ansahen. Anscheinend wusste jeder, was die Squellinghams vorhatten. Die friedliche Lethargie im Klassenzimmer war eher so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm.
In der Frühstückspause war er zum ersten Mal in Gefahr. Also blieb er in der Nähe der Hofaufsicht, in der Mitte des Schulhofs, wo Mr. Dandrum auf der Schaukel saß und seine Pfeife paffte. Col hasste sich dafür. Nur noch dieser eine Tag, sagte er sich. Nach den Ferien werde ich fitter sein.
Die Jungens der Squellingham-Clique kamen nicht in seine Nähe, sondern streiften über den Hof wie ein Rudel Wölfe. Sie rekrutierten neue Mitglieder. Bis zum Ende der Pause hatten sie zwei Aufsteiger aus der 4a geworben, Melstruther und Prewitt, und zwei ältere Jungen aus der 5a. Die Chancen standen jetzt nicht mehr sechs zu eins, sondern zehn zu eins.
Die nächste heikle Situation war die Mittagspause. Jetzt war es Mr. Gortliss, der auf der Schaukel saß, während sich Mrs. Strummer mit ihm unterhielt. Umso besser. Col tat so, als betrachte er Risse, die sich durch den Asphalt zogen.
Aber er war ausgehungert. Zu dem Tisch, an dem zwei Gesindlinge Essen austeilten, waren es nur zwanzig Schritte. Aber erst musste sich die Schlange auflösen …
Er guckte, wo sich die Squellingham-Clique gerade aufhielt. Die Mitglieder hingen allerdings nicht mehr zusammen rum, sondern hatten sich über den Schulhof verteilt.
Fünf Minuten vergingen, dann zehn. Der Duft von Pasteten und Würstchen ließ ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Schließlich wartete kein Schüler mehr auf sein Essen. Mrs. Strummer unterhielt sich immer noch mit Mr. Gortliss. Jetzt oder nie! Aber zwei Mädchen aus der 3b kamen ihm zuvor. Sie bezogen vor ihm Stellung an der Essensausgabe, und er musste warten, bis er dran kam.
Die beiden debattierten über die Vorzüge von Käse- gegenüber Chutney-Sandwichs und konnten sich einfach nicht entscheiden.
Schon rückten seine Feinde an, von allen Seiten strömten sie auf ihn zu. Sie würden ihn doch wohl nicht angreifen, wenn zwei Lehrer nur zwanzig Schritte entfernt standen?
Aber als er noch einmal hinsah, ging Mrs. Strummer gerade fort, und Mr. Gortliss guckte in die andere Richtung.
Er hatte keine Zeit mehr! Er stürmte an den beiden Mädchen vorbei,
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