Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
ausdrückt, ruft eine zutiefst alttestamentarische Stimmung hervor. Abstrakta wie Sünde und Tod treten als handelnde Gestalten neben Satan und die Engel. Die künstlerische Kraft der sprachlichen Formulierung, der Rückgriff auf den Blankvers der Shakespeare-Zeit und die kühnen Satzperioden und Sprachbilder verleihen dem Epos eine überwältigende Kraft, die dem gewaltigen Inhalt angemessen ist.
AUSERWÄHLTHEIT UND DIE FASZINATION DES HEROISCHEN
Angeblich habe der Quäkerfreund Thomas Ellwood Milton gegenüber die Bemerkung fallen lassen: »Du hast viel vom verlorenen Paradies gesagt, was aber hast du über das gefundene zu sagen?« Daraufhin habe der Dichter »Das wiedergefundene Paradies« (»Paradise Regained«) geschrieben und 1671 veröffentlicht. Dieses Werk rückt Christus, der seinem teuflischen Versucher in der Wüste widersteht, in den Mittelpunkt und verheißt, dass das Paradies von den Menschen wieder zurückzugewinnen sei, allerdings nur im Rahmen einer leidvollen Zukunft der Weltgeschichte. Das Spätwerk ist von der Aura eines tiefen Erwähltheitsgefühls durchtränkt. Denn das wiederzugewinnende Paradies, der zweite Bund Gottes mit seinem Volk, komme im Staatswesen der gemeinschaftlichen sittlichen Tat gleich, so wie sie das von Gott auserkorene, für die gesamte Menschheit vorbildliche Volk der Engländer praktizieren werde. Später sollte das puritanische Nordamerika die gleiche göttliche Bevorzugung für sich in Anspruch nehmen. Dem Kurzepos »Das wiedergefundene Paradies« folgte das Versdrama »Samson Agonistes«, das einigen Fachleuten als die eigentliche Krönung und Vollendung seines dichterischen Schaffens gilt, als die reinste »griechische« Tragödie, die England jemals hervorgebracht habe, und dabei als das persönlichste und christlichste Stück Miltons.
LITERARISCHE UND POLITISCHE SCHRIFTEN
• Dichtung:
On Shakespeare (1630)
L’Allegro (um1632)
Il Penseroso (um 1632)
Arcades (1632 bis ca. 1634)
Comus (1634)
Lycidas (1637)
Das verlorene Paradies (1667)
Das wiedergefundene Paradies (1671)
Samson Agonistes (1671)
• Politische Schriften:
The Doctrine and Discipline of Divorce (1643)
Areopagitica (1644)
Of the Tenure of Kings and Magistrates (1649)
Eikonoklastes (1649)
Noch im Alter zeigte sich der Dichter, der keineswegs so sauertöpfisch war, wie er von manchen beschrieben wird, den Büchern, dem Wein und dem Tabak nicht abgeneigt. Außerdem versammelte bis an sein Lebensende in regelmäßigen Treffen zahlreiche bedeutende Freunde in geselliger Runde um sich. Am 8. November 1674 starb Milton an der Gicht. Man beerdigte ihn an unbekannter Stelle in der St.-Giles-Kirche in Cripplegate zu London.
Insbesondere die Heroisierung Satans in »Das verlorene Paradies« erschien der Nachwelt derart faszinierend, dass im Gefolge der Französischen Revolution, des »Sturm und Drang« sowie der englischen Romantik der miltonsche Luzifer häufig als strahlend revolutionärer Held interpretiert wurde. Der in England lebende Schweizer Maler Johann Heinrich Füssli (in England Henry Fuseli) beispielsweise schuf ab 1790 insgesamt 47 Bilder zu Miltons Epos, die unter dem Titel die »Milton-Galerie« bekannt sind; der Dichter, Maler und Kupferstecher William Blake wiederum ließ sich von Miltons Werk inspirieren, indem er die Gestalt Satans zum heroischen Widerpart eines erbarmungslosen Christengottes radikalisierte. In Deutschland wirkte Milton besonders auf Friedrich Gottlieb Klopstock, dessen 1748 begonnener »Messias« den ersten großen Epos der neuhochdeutschen Literatur darstellt, und regte zugleich die Diskussion um die Schöpferkraft des Dichters an.
GRIMMELSHAUSEN
SOLDAT, SCHULTHEISS UND DICHTER
Wohl kein anderes Werk der Zeit schildert die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges, die insbesondere die Landbevölkerung trafen, so anschaulich wie der »Simplicissimus« und die »Simplicianischen Schriften« des zeitgenössischen Autors Grimmelshausen. Dessen unverfälschte Sprache und realistischen Schilderungen bilden ein einzigartiges kulturgeschichtliches Erbe, dessen einzelne Motive bis heute Dichtern und Komponisten als Anregung dienten.
12. 3. 1621
Geburt in Gelnhausen
1634–1648
Teilnahme am Dreißigjährigen Krieg
1649–1660
Gutsverwalter in Gaisbach
1658
Beginn der schriftstellerischen Tätigkeit
1667–1676
Schultheißenamt in Renchen bei Offenburg
17. 8. 1676
Tod in Renchen
Lange Zeit wurde der »Simplicissimus« dem ansonsten unbekannten German
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