Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
den Garnisonen lag Niemandsland, in dem sich marodierende Banden ausbreiteten. Vor diesem Hintergrund schrieb Grimmelshausen seinen Roman »Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch«, der auf das Engste mit den Erlebnissen des Autors und den Kriegsgeschehnissen jener Zeit verbunden ist.
HINEIN IN DEN KRIEG
Johann Jakob Christoffel von Grimmelhausen stammte aus einer alten Adelsfamilie aus dem Thüringischen. Sein Großvater Melchior betrieb in Gelnhausen eine Bäckerei und Gastwirtschaft und hatte wohl aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage den Adelstitel abgelegt, den sein Enkel sehr viel später wieder annehmen sollte. Grimmelshausens Vater starb bereits 1626. Seine Mutter heiratete ein Jahr darauf den Barbier Johannes Burck, mit dem sie nach Frankfurt am Main zog. Der kleine Johann wurde bei seinem Großvater in Gelnhausen zurückgelassen, wo er aufwuchs und die lutherische Lateinschule besuchte. Im September 1634 wurde der Ort nach der Schlacht von Nördlingen, mit der die Schweden ihre Vormachtstellung in Süddeutschland verloren, von den kaiserlich-spanischen Truppen erobert, geplündert und gebrandschatzt. Die Bewohner wurden niedergemetzelt, nur wenige entkamen durch die Flucht in die nahe gelegenen Wälder oder in die von Schweden und Hessen besetzte Festung Hanau. Es wird angenommen, dass sich unter ihnen auch der 13-jährige Grimmelshausen befand. Anfang 1635 ergriff eine kroatische Patrouille den Jungen und verschleppte ihn nach Bad Hersfeld. Wenig später wurde Grimmelshausen von hessischen Soldaten bei einer der damals üblichen Raubtouren aufgegriffen und nach Kassel gebracht.
Die Verschleppungen und Gefangennahmen hat Grimmelshausen später in seinem »Simplicissimus« beschrieben, wo er sich besonders den ausschweifenden, rohen Sitten der kroatischen Soldaten und ihrer Anführer widmete. 1637 tauchte er plötzlich in Westfalen im Leibdragonerregiment des kaiserlichen Feldmarschalls Graf Hanns von Götz auf, wo er vermutlich die Stellung eines Stallburschen innehatte. Dieses Regiment war von 1636 bis 1638 in Soest stationiert und bezog sein Winterquartier in Dortmund. Auch diese Jahre hat Grimmelshausen in den »Simplicissimus« einfließen lassen. Er beschreibt detailliert die verschiedenen Ortschaften Westfalens, benutzt teilweise westfälische Redewendungen und schwärmt von den kulinarischen Besonderheiten dieser Gegend, beispielsweise dem Pumpernickel. Das kaiserliche Regiment zog weiter nach Süden und Grimmelshausen gelangte mit den Truppen an den Oberrhein. Hier hatte sich die Lage für die Kaiserlichen deutlich verschlechtert, nachdem es Bernhard von Sachsen-Weimar, dem Nachfolger des gefallenen Schwedenkönigs Gustav Adolf, gelungen war, Rheinfelden und Freiburg zu erobern. Nach der verlorenen Schlacht bei Wittenweier um das strategisch wichtige Breisach, zog das Regiment nach Neustadt im Schwarzwald ab. Grimmelshausen beschrieb auch diese süddeutschen Gegenden, den Schwarzwald und den Oberrhein, wo er die nächsten Jahrzehnte seines Lebens verbringen sollte, im »Simplicissimus« sehr realistisch.
›Adieu Welt, denn auf dich ist nicht zu trauen, noch von dir nichts zu hoffen […] das Allerbeständigste fällt, das Allerstärkste zerbricht, und das Allerewigste nimmt ein End …‹
Grimmelshausen
Im Sommer 1639 kam Grimmelshausen als Garnisonssoldat in das nahe gelegene Offenburg, wo er in das Festungsregiment des unter bayerischem Oberkommando stehenden Freiherrn Hans Reinhard von Schauenburg eintrat. Der Freiherr wurde auf den aufgeweckten jugendlichen Grimmelshausen aufmerksam, der schreiben, lesen, etwas Mathematik und sogar Latein konnte, und ernannte ihn zu seinem Regimentssekretär. Dass Grimmelshausen auch ein guter Zeichner gewesen ist, belegen einige Landschaftszeichnungen und Festungspläne. In der schauenburgischen Kanzlei begegnete Grimmelshausen dem Magister Johann Witsch, der die Kanzlei leitete. Witsch, ein klassisch gebildeter Philologe, der einen entscheidenden Einfluss auf das Leben des künftigen Autors ausübte, nahm den verwilderten Burschen unter seine Fittiche und machte ihn mit Wissenschaft, Religion sowie den Klassikern der Literatur bekannt. Grimmelshausen war ein eifriger Schüler und Leser, der versuchte, die ihm fehlende Bildung nachzuholen. Als Autodidakt wurde Grimmelshausen trotz seines reichen Bildungsschatzes zeitlebens vom Trauma des Ungebildetseins verfolgt, sodass er auf literarische Kritik empfindlich reagierte und beständig um Anerkennung
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