Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
begleiten und mit ihm seine eigene Persönlichkeit ändern. Mit dem Namen Kreisler spielte Hoffmann auf »die wunderbaren Kreise« an, »in denen sich unser ganzes Sein bewegt und aus denen wir nicht herauskommen können, wir mögen es anstellen, wie wir wollen«. Kreisler erlaubte es ihm nicht nur, den Kunstbetrieb und ein auf Unterhaltung erpichtes Publikum zu verspotten, sondern auch über eine um sich selbst »kreiselnde« Künstlerexistenz ironische Gedanken anzustellen.
1813 wurde Hoffmann die Musikdirektorstelle bei der Operntruppe Joseph Secondas in Leipzig angeboten, sodass er Bamberg endlich den Rücken kehren konnte. In der »Nachricht von den neuesten Schicksalen des Hundes Berganza« zog er eine sarkastische Bilanz seiner Bamberger Zeit. Unter der Tiermaske konnte er die Bildungsphilister verspotten und nicht zuletzt sich selbst in einer Weise einbringen, die es ihm erlaubte, die ihn quälenden Fantasien und Selbstzweifel auszusprechen.
Doch auch seine neue Wirkungsstätte sollte ihm kein Glück bringen. Im Kriegsjahr 1813 dirigierte er Mozart – dessen Vornamen Amadeus er gegen seinen dritten, Wilhelm, austauschte –, außerdem Cherubini und Gluck. Er arbeitete an seinen »Kreisleriana«, schrieb den »Magnetiseur«. Das Grauen des Krieges faszinierte ihn und er durchstreifte das Schlachtfeld von Dresden.
Nach einem Streit mit dem Direktor des Opernensembles kündigte ihm dieser die Stelle. Hoffmann stand vor dem Nichts und konnte sich nicht anders als zur Rückkehr zur »Staatskrippe« entscheiden. Mit Musikrezensionen und antinapoleonischen Karikaturen hielt er sich einige Zeit über wasser über Wasser. Im Juli 1814 richtete er sich an die Berliner Behörden mit dem Wunsch, »wieder im preußischen Staate angestellt zu werden«. Immer noch hegte er die Hoffnung, später in Berlin schließlich doch Kapellmeister zu werden.
Literarisch war die Zeit zwischen Bamberg und Berlin sehr wertvoll. Die beiden Bände der »Fantasiestücke« waren anonym erschienen. Während Hoffmann seinen Roman »Die Elixiere des Teufels« in Angriff nahm, war »Der goldne Topf, ein Märchen aus der neuen Zeit« kurz vor seiner Entlassung aus Secondas Diensten vollendet worden, ebenso die Partitur zur »Undine«, deren Uraufführung 1816 in Berlin zum größten Erfolg des Musikers Hoffmann wurde. Mit seiner »Undine« hatte er der deutschen romantischen Oper den Weg bereitet.
»KLEIN ZACHES« UND »KATER MURR«
Hoffmann war schließlich wieder in Berlin und Mitarbeiter am Kammergericht. 1816 wurde er zum Kammergerichtsrat ernannt. Hatte er geglaubt, sich für ewig dem Staatsdienst entzogen zu haben, so sah er sich stattdessen wieder »von Akten hoch umwallt«. Sein rastloser Arbeitswille und seine exzentrische Lebensweise zehrten an seinen Kräften. Mit 42 Jahren war er 1818 dem Tod nahe. Doch er überstand diese Krise, der eine neue Schaffensperiode folgte. Der Dichter knüpfte an seine »Kreisleriana« und das Märchen vom »Goldnen Topf« an. Das Werk seiner letzten Lebensjahre war geprägt von einem wachen Wirklichkeitssinn. »Klein Zaches, genannt Zinnober« bildete den satirischen Anfang. 1819 griff Hoffmann das Kreislerthema wieder auf. Nach überstandener lebensgefährlicher Krankheit plante er, nochmals einen großen Roman zu schreiben. Es entstanden die »Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern«.
DAS »SERAPIONTISCHE PRINZIP«
Am 14. November 1818 wurde der Freundschaftsbund der Serapionsbrüder gegründet, ein Bund, den Hoffmann in der gleichnamigen Sammlung seiner Erzählungen und Märchen verewigte. Als »Serapiontisches Prinzip« bezeichnete er seine gewandelte literarische Konzeption: Wie kann man der Wirklichkeit mit ihrem Zwang gerecht werden, ohne doch die Kunst an das Leben zu verraten? Dichtung ist mehr als reine Innenschau, sie spinnt sich nicht nur aus sich selbst heraus, sie folgt auch der »Erkenntnis der Duplizität, von der allein unser irdisches Sein bedingt ist«.
Im Herbst 1819 wurde Hoffmann Mitglied der »Immediat-Kommission zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe« berufen. Er übte das ihm aufgezwungene Amt in einer Weise aus, die ihn bald in Konflikt mit den vorgesetzten Behörden bringen sollte, denn mit scharfsinnigen Expertisen setzte er die Freilassung verdächtigter Studenten und Burschenschaftler durch.
Es kam, wie es kommen musste: Die
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