Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
Methoden und Machenschaften des Staates riefen den Dichter auf den Plan. Das Aktenmaterial reizte ihn zur Satire. Das Märchen vom »Meister Floh« ist wegen der darin enthaltenen Knarrpanti-Episode, eines kaum verhüllten Abbilds des späteren Justizministers von Kamptz, berühmt geworden. Das Manuskript wurde beim Frankfurter Verleger beschlagnahmt und Hoffmann der Majestätsbeleidigung, des Bruchs der Amtsverschwiegenheit und der Verleumdung eines Staatsbeamten angeklagt. Friedrich Wilhelm III. befahl persönlich seine Vernehmung. Hoffmann verteidigte sich geschickt, doch das hätte ihn vor weiteren Nachstellungen kaum schützen können, hätte nicht sein Tod am 25. Juni 1822 allem ein Ende gesetzt.
DER DOPPELROMAN »LEBENS-ANSICHTEN DES KATERS MURR«
Die fiktionale Begründung für die Verbindung der Autobiografie eines Katers mit der Biografie eines Kapellmeisters lieferte deren »Herausgeber« E. T. A. Hoffmann im Vorwort: Der Kater habe bei seinen Aufzeichnungen Blätter aus dem Manuskript der Kreisler-Biografie verwendet und diese seien nun versehentlich mit gedruckt worden. Die Lebensgeschichte des schriftstellerisch tätigen Katers erweist sich als Bildungsroman-Parodie, die des Kapellmeisters als humoristisch angelegte romantische Musiker-Biografie. Hoffmann, der Autor dieses humoristischen Romans, starb, bevor er in einem geplanten weiteren Teil die autobiografisch gefärbte Kreisler-Figur weiterführen konnte. Theodor Hosemann setzte die »Lebens-Ansichten des Katers Murr« 1844 in einer Federlithographie um (Berlin, Sammlung Archiv für Kunst und Geschichte).
DER »GESPENSTERHOFFMANN«
Hoffmann kam, als sein Ruhm als Schriftsteller gefestigt war, der Vorliebe des Publikums für Übersinnliches nach. Er wusste, was das Publikum von ihm erwartete und wie er die »Elixiere« zu mischen hatte. Doch hinter den allzu probaten Abgründigkeiten, die ihm den Titel »Gespensterhoffmann« eintrugen, stehen die Irritationen seines eigenen Lebens. Er musste nicht erfinden, worüber er schrieb. Er stand selbst an der Grenze, deren Auflösung mitzuerleben seine Leser faszinierte. Seine Bücher beziehen ihre Überzeugungskraft aus dem Realismus eines Fantastischen, das sich, je skeptischer man ihm begegnet, umso weniger als Hirngespinst abtun lässt. Der Schilderer des Abgründigen hatte den Schrecken am eigenen Leib gespürt. Hoffmann berichtet von den Kräften, die uns nicht gehorchen, weil sie nicht in unserer Macht sind. Am sinnfälligsten dort, wo er von einem anderen spricht, der – in ihm und doch nicht er selbst – an seinem Leben teilhaben will und mit dem er den Kampf aufnehmen muss. Eindringlicher ist bis heute die dunkle Seite menschlicher Existenz nicht beschrieben worden, und es ist zu spüren, welche Mächte zu jener Zeit zum Durchbruch kamen und warum man sie im dunklen Spiegel des Okkulten und Dämonischen zu fixieren versuchte. Hoffmann löste die »fixen Ideen«, die seine Figuren heimsuchen, stets auf. Er nahm es mit dem Schreiben nicht so ernst wie mit der Musik, auf die er seinen ganzen Ehrgeiz richtete. Sein Schreiben gestaltete sich oft auch als ein fantastisches, einer Laune nachgebendes Spiel mit der eigenen Angst. Mit dem Freibrief des Fantastischen verschaffte er sich Zugang zu dem, was ihm an seinem Leben und an seiner Fantasie selbst nicht geheuer war. »Der Sandmann« ist eine Schlüsselerzählung psychologischer Deutung des Unbewussten. Hoffmann holt darin das Abgründige, Verworrene, die andere dunkle Seite des Selbst in die Lebenswirklichkeit herein, anstatt es in einer vom Alltag getrennten Fantasiewelt anzusiedeln.
»PRINZESSIN BRAMBILLA«
Vieles an seinen Figuren ist auch Selbstaussage, oft genug auch Selbstkarikatur. Die Kunst als Ideal und Abglanz einer überirdischen Welt ist darin nicht zu verwirklichen, aber die Sehnsucht nach ihr bleibt bestehen und trägt das Werk. Nur in einer Ausnahmesituation scheint ein Ausgleich der Gegensätze zu gelingen – wenn die Welt zur Bühne wird, auf der sich »der Schmerz des Seins in hohe Lust« verkehrt. Der Schauplatz dieser Verkehrung bildet der Karneval in Rom, wohin Hoffmann sein Märchen von der »Prinzessin Brambilla. Ein Capriccio nach Jacob Callot« verlegt. Er lässt in dieser späten Dichtung noch einmal seiner Fantasie freien Lauf. Giacinta und der eitle, ichsüchtige Giglio, sie beide jagen einem Phantasma nach, um sich endlich, im Spiel mit den Masken und Demaskierungen, als Verwandelte glücklich wieder zu finden.
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