Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
weshalb er sich auch weigerte, den Eid auf Napoleon zu leisten, eine Bedingung, unter der er als preußischer Beamter weiterhin in Warschau hätte bleiben dürfen. Die Pläne mit Wien allerdings zerschlugen sich. Und Berlin wiederum schien ihm wenig geeignet, seinem Leben die ersehnte neue Richtung zu geben.
›Wie ist doch die Musik so etwas höchst Wunderbares, wie wenig vermag doch der Mensch ihre tiefen Geheimnisse zu ergründen!‹
E. T. A. Hoffmann »Kreisleriana«
»ARTISTISCH-LITERARISCHES« DEBÜT
Als Flüchtling kehrte Hoffmann im Juni 1807 dennoch nach Berlin zurück, das unter dem Druck der Niederlage litt. Hoffmann richtete Bittbriefe an die Behörden. Für seine Zeichnungen fand er keine Käufer, die Kompositionen des unbekannten Künstlers fanden kein Gehör. Aus Posen, der Heimatstadt seiner Frau, erreichte ihn die Nachricht von deren schwerer Erkrankung. Das Berliner Jahr war eines der härtesten seines Lebens. Er bewarb sich schließlich als Musikdirektor am Bamberger Theater und hatte Erfolg. Doch die Verhältnisse am Theater der Bischofsstadt waren ganz anders, als er es erwartet hatte. Bald schon kam es zum Zerwürfnis mit dem Prinzipal. Hoffmann legte seinen Posten nieder, blieb aber der Theaterkomponist und hielt sich durch Unterricht und Komponieren notdürftig über Wasser. Schließlich trat er mit der Leipziger »Allgemeinen Musikalischen Zeitung« in Verbindung und veröffentlichte darin 1809 eine kurze Erzählung, den »Ritter Gluck«. Sein »artistischliterarisches« Debüt um einen wahnsinnigen Musiker, enthielt im Keim schon die Charakteristika des hoffmannschen Stils. Fast unmerklich schälte sich aus der Form einer Musikkritik die Erzählung heraus und langsam entwickelte sich aus dem Musikrezensenten und Mitbegründer einer neuen Musikästhetik der Schriftsteller. Auch das Motiv des Wiedergängers tauchte auf. Noch sah Hoffmann seine literarische Tätigkeit nur als Broterwerb an, noch stand bei ihm der Musiker an erster Stelle. Und doch bedeutete dies den Durchbruch zu der ihm ganz ureigenen Sphäre der Dichtung.
DIE DOPPELSCHLACHT VON JENA UND AUERSTADT
• In der Schlacht bei Auerstedt, am 14. 10. 1806 gleichzeitig mit der Schlacht bei Jena geschlagen, unterlagen die von Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig geführten preußischen Truppen dem revolutionären französischen Volksheer Napoleons I.
• Im Frieden von Tilsit (7. 7. 1807) wurde der preußische Staat, dessen – nicht nur militärische – Rückständigkeit offenbar geworden war, territorial verstümmelt und politisch gedemütigt. Es war offensichtlich, dass die Voraussetzung für den Wiederaufbau und die Befreiung des Landes von der Fremdherrschaft grundlegende Reformen in allen Bereichen der Gesellschaft waren.
• Die ab 1807 einsetzende und bis etwa 1820 anhaltende Erneuerung Preußens ist untrennbar mit den Namen Heinrich Friedrich Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein und Karl August Fürst von Hardenberg verbunden. Ihre Staatsreformen ermöglichte König Friedrich Wilhelm III. ebenso wie eine Heeresreform, die Volksbewaffnung und allgemeine Wehrpflicht vorsah.
UNGLÜCKLICHE LIEBE
Sein Werk wäre ein anderes geworden, hätte er sich nicht hoffnungslos in die 16-jährige Julie Mark verliebt, die er in Gesang unterrichtete. Julie aber war einem reichen Kaufmann zugedacht. Für Hoffmann wurde die Angebetete zur Verkörperung einer imaginären Verheißung. Anfang 1812, auf dem Höhepunkt der Krise, bot sich ihm ein Ausweg: Er entdeckte das Schreiben als eine Möglichkeit, von der Geliebten und sich selbst »zu abstrahieren«. Als Doppelwesen, als Engel und Dämon, verführend und erlösend sollte seine unsterbliche Liebe in seinen Dichtungen wieder auferstehen. Die erschütternde, alle Dämonen des Selbstzweifels wachrufende unglückliche Liebe weckte nach und nach jene Kräfte, die halfen, ihn aus der Krise herauszuführen – die Kräfte der Verwandlung, der Selbstdistanzierung und der Erkenntnis. Solange er sich in die Alternative verrannt hatte, entweder als »Aktenmensch« sein Leben zu fristen oder als Komponist die Welt in Erstaunen zu setzen, war er gescheitert. Doch jetzt, da er zu schreiben begann, gelangte er über dieses fatale Entweder-oder hinaus.
Diese Verwandlung beschrieb Hoffmann anhand der Person des Kapellmeisters Johannes Kreisler. Seiner Kreislerfigur, seinem anderen Ich, vertraute er sein Leiden an. Die skurrile Musikergestalt sollte ihn bis in seine letzten Lebensjahre
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