Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
berufen. Zunächst wirkte Jacob Grimm als Professor und Bibliothekar, Wilhelm Grimm als Unterbibliothekar, bald aber ebenfalls als Professor, während Jacob mit der Zeit vom Bibliotheksdienst freigestellt wurde. Obwohl die akademische Lehrtätigkeit die Brüder im Alter von weit über 40 Jahren vor eine große neue Aufgabe stellte, konnten sie ihre Forschungstätigkeit weiterführen. Jacob Grimm wandte sich, neben der Ausarbeitung des vierten Teils seiner »Deutschen Grammatik«, der die Syntax des einfachen Satzes umfasste und 1837 erschien, vor allem der germanischen Altertumskunde zu. So legte er, neben einer 1835 veröffentlichten Ausgabe der »Germania« des römischen Historikers Tacitus (98 n. Chr.), die erste, auf umfassenden Quellen der gesamten Sprachüberlieferung basierende Mythologie der Germanen unter dem Titel »Deutsche Mythologie« 1837 vor, samt einer etymologisch begründeten Typologie der einzelnen Gottheiten. Zudem befassten sich beide Brüder mit weiteren Textausgaben – Jacob mit einer vergleichenden Edition des französisch-niederländisch-deutschen Tierepos »Reinhart Fuchs« (1834), Wilhelm mit mehreren mittelhochdeutschen Texten und der Vorbereitung zur Herausgabe von Achim von Arnims »Sämtlichen Werken« (1839–46).
Das Ende der Göttinger Zeit kam unvermittelt im Jahr 1837, als der neue König, Ernst August von Hannover, die Landesverfassung für nichtig erklärte und das Protestschreiben von sieben Göttinger Professoren, darunter auch die Brüder Grimm, zum Anlass nahm, diese aus der Universität zu entfernen.
›Das deutsche Volk ist ein Volk von Freien und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei.‹
Der von Jacob Grimm entworfene, seiner Zeit weit vorauseilende Artikel 1 des Grundgesetzes von 1848
DAS DEUTSCHE WÖRTERBUCH
Der zweite Kasseler Aufenthalt der Brüder Grimm nach ihrer Entlassung als Professoren der Universität Göttingen sollte nur gut drei Jahre dauern, ehe sie 1841, einem Ruf des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. folgend, nach Berlin übersiedelten. Bemühungen anderer akademischer Institutionen – besonders um Jacob Grimm –, wie zum Beispiel des Zürcher Rechtshistorikers Johann Caspar Bluntschli im Jahr 1840, scheiterten daran, dass sich die beiden Brüder nicht mehr trennen wollten.
DIE GÖTTINGER SIEBEN
Nach dem Tod von König Wilhelm IV. von Großbritannien am 20. Juni 1837 löste sich die mehr als hundertjährige Personalunion zwischen England und Hannover auf und Wilhelms Bruder Ernst August begann als neuer König von Hannover absolutistisch zu regieren. Am 1. November des gleichen Jahres hob er sogar die 1833 erlassene Verfassung durch ein königliches Patent auf.
Dies führte zu einem Protestschreiben von sieben Göttinger Universitätsprofessoren, das am18. November an das Königliche Universitäts-Kuratorium gerichtet und allgemein verbreitet wurde und von Friedrich Christoph Dahlmann (Historiker), Eduard Albrecht (Jurist), Jacob Grimm, Wilhelm Grimm, Georg Gottfried Gervinus (Literaturhistoriker), Heinrich Ewald (Orientalist) und Wilhelm Weber (Physiker) unterzeichnet war.
Der König reagierte nach einer Vernehmung vor dem Universitätsgericht am 11. Dezember mit der Amtsenthebung der seither »Göttinger Sieben« genannten Professoren, wobei Dahlmann, Jacob Grimm und Gervinus als Verbreiter der Protestaktion das Königreich binnen drei Tagen zu verlassen hatten. Jacob fand in Kassel bei seinem Bruder Ludwig Emil Grimm, seit 1832 Professor an der Kunstakademie, Aufnahme, Wilhelm übersiedelte im Oktober 1838 mit seiner Familie ebenfalls nach Kassel.
Literarisch verarbeitete Jacob die schmerzliche Erfahrung in einer aus Zensurgründen außerhalb Deutschlands in Basel 1838 erschienenen Schrift, der er den Titel »Jacob Grimm über seine Entlassung« gab. Darin bekennt er sich voll und ganz zu seiner auf der Einhaltung des Rechts gegründeten staatsbürgerlichen Aktion, deren Folgen er gelassen und mit Zuversicht trug.
Inzwischen hatte die Amtsenthebung der Brüder den Miteigentümer der Weidmann’schen Verlagsbuchhandlung in Leipzig, Karl Reimer, in Zusammenwirken mit dem Philologen Moriz Haupt von der Universität Leipzig veranlasst, den Brüdern Grimm die Ausarbeitung eines neuen großen Wörterbuchs der deutschen Sprache, mit Schwergewicht von Luther bis Goethe, vorzuschlagen. Die Verleger Reimer und Salomon Hirzel zeigten sich zudem bereit, großzügige Mittel dafür
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