Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
einzusetzen. Nach anfänglichen Bedenken sagten die Brüder Grimm zu und begannen mit der Arbeit an dem großen Werk, dessen erste Lieferung als »Deutsches Wörterbuch« von Jacob und Wilhelm Grimm im Verlag von S. Hirzel zu Leipzig 1852 und der erste Band 1854 erschien. Das gewaltige Werk überstieg jedoch die Kräfte und Lebenszeit der Brüder, die immerhin noch die Ausarbeitung der ersten drei Bände (bis 1862) und – was Jacob betrifft – den Beginn von Band IV/I,1 (bis zum Artikel »Frucht«) vollenden konnten. Das nachmals für viele andere Wörterbücher germanischer Sprachen und deutscher Dialekte vorbildliche Werk wurde erst 1961, mehr als hundert Jahre später, abgeschlossen. Im Jahr 1840 konnte Jacob Grimm außerdem die ersten beiden Bände seiner seit der Göttinger Zeit mithilfe vieler auswärtiger Kontakte gesammelten Dokumentation der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Dorf- und Hofrechte aus allen Teilen des deutschen Sprachgebietes unter dem Titel »Weisthümer« herausgeben, welche später insgesamt sieben Bände umfassen sollte (posthum bis 1869/70 erschienen).
BERLINER SPÄTZEIT
Die Berliner Jahre der Brüder Grimm vom März 1841 bis zu ihrem Tod (1859 und 1863) waren trotz des von ihnen nicht sonderlich geliebten Großstadtlebens glücklich und erfolgreich, da sie weniger Verpflichtungen als Rechte an Universität und Königlicher Akademie der Wissenschaften hatten und darüber hinaus über einen anregenden Kollegen- und Bekanntenkreis verfügten. Zu diesem gehörten etwa ihr ehemaliger, inzwischen zum Staatsminister berufener Marburger Lehrer Friedrich Karl von Savigny, der Philologe Karl Lachmann, der Historiker Leopold von Ranke, der Philosoph Friedrich Schelling und die Dichterin Bettina von Arnim, die sich wie der Naturforscher Alexander von Humboldt um die Berufung der Brüder Grimm nach Berlin bemüht hatte. Außerdem ergaben sich insbesondere für Jacob Grimm mehrfache Gelegenheiten zu Reisen, so 1843 nach Italien,1844 nach Dänemark und Schweden, 1847 nach Wien und Prag, 1853 nach Basel, Genf, Südfrankreich und Norditalien. An der Universität hielt Jacob Grimm unregelmäßig bis zum Sommer 1848, Wilhelm Grimm dagegen sehr regelmäßig bis zum Sommer 1852 Vorlesungen ab. Besondere Ausstrahlung ging von den weit über ihre engeren Fachgebiete ausholenden Reden in der Berliner Akademie der Wissenschaften aus, die meist wenig später in deren Abhandlungen, oft auch als Sonderausgaben, im Druck erschienen: zum Beispiel von Jacob Grimm »Über Schule, Universität, Academie« (1849) oder »Über den Ursprung der Sprache« (1851) und von Wilhelm Grimm »Die Sage vom Ursprung der Christusbilder« (1842), »Zur Geschichte des Reims« (1852) oder »Thierfabeln bei den Meistersängern« (1855). Im Übrigen arbeiteten die Brüder in der Berliner Spätzeit vor allem gemeinsam an der Ausarbeitung des »Deutschen Wörterbuchs« sowie je einzeln an der Erweiterung oder Fortführung bereits vorliegender Werke. Daneben veröffentlichte Jacob Grimm 1848 – sozusagen als Ergänzung zu seiner »Deutschen Grammatik« – das bei Zeitgenossen nicht unumstrittene Werk »Geschichte der deutschen Sprache« in zwei stattlichen Bänden, wovon bis 1880 vier unveränderte Auflagen erschienen. Es handelte sich dabei weniger um eine geschlossene Darstellung, sondern vielmehr um eine, wie er selbst sagte, »Reihe von wechselnden Aussichten« auf die Vor- und Frühgeschichte der germanisch-deutschen Volksstämme aus dem neutralen Zeugnis der Sprache heraus und allgemein verständlich geschrieben.
HAUPTWERKE
Altdänische Heldenlieder, Balladen und Märchen (nur Wilhelm, 1811)
Kinder- und Hausmärchen (1812–15)
Lieder der Edda (1815)
Deutsche Sagen (1816–18)
Deutsche Grammatik (nur Jacob, 1819–37)
Irische Sagen (1826)
Deutsche Rechtsalterthümer (nur Jacob, 1828)
Deutsche Heldensage (nur Wilhelm, 1829)
Deutsche Mythologie (nur Jacob, 1837)
Geschichte der deutschen Sprache (nur Jacob, 1848)
Zur Geschichte des Reims (nur Wilhelm, 1852)
Deutsches Wörterbuch (ab 1854)
Darüber hinaus übernahmen die Brüder Grimm auch gewisse öffentliche Tätigkeiten bei den beiden ersten, national erfüllten Germanistenversammlungen der deutschen Geschichtsforscher, Philologen und Rechtshistoriker: 1846 zu Frankfurt, wo Jacob Grimm auf den Vorschlag Ludwig Uhlands hin zum Vorsitzenden ernannt wurde, und 1847 zu Lübeck, wo Jacob wiederum den Vorsitz ausübte. Außerdem nahm Jacob Grimm 1848 als
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