Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
Marburg dem Studium der Rechtswissenschaften zuzuwenden, das Wilhelm 1806 abschloss, während Jacob aufgrund seiner schon damals auffallenden wissenschaftlichen Begabung seit 1805 zunächst mit privaten Aufgaben für seinen akademischen Lehrer Friedrich Karl von Savigny, sodann mit öffentlichen Stellungen als Sekretär des Kriegskollegiums in Kassel, später als königlicher Bibliothekar auf Schloss Wilhelmshöhe betraut wurde. Dies und eine zunehmende literarische Neigung führten dazu, dass sich Jacob Grimm im Jahr 1807 entschloss, das Studium der Rechtswissenschaften aufzugeben.
Was den Brüdern Jacob und Wilhelm Grimm als bleibendes Gut aus einer bescheiden behaglichen Jugendzeit enger bürgerlicher Verhältnisse mitgegeben wurde, lässt sich kurz in folgende Stichworte fassen: Vaterlandsliebe, Naturbeobachtung und persönliche Einfachheit in der Lebensführung. Wenn sich die Vaterlandsliebe zunächst nur auf Hessen bezog, so dehnte sie sich aber schon bald auf ganz Deutschland mitsamt der deutschen Sprache aus. Von der Naturbeobachtung, die Jacob Grimms Vorliebe für die Botanik entsprang, führte der Weg der Brüder zur umfassenden Sprachbeobachtung, wobei sie die Sprachgeschichte gerne mit der Naturgeschichte verglichen. Das einfache Leben, das Jacob und Wilhelm führten, verbürgte ihnen gleichzeitig den natürlichen Umgang mit einfachen Leuten in der Stadt und auf dem Land, der für ihre 1806 begonnene Sammlung deutscher Kinder- und Hausmärchen, die Sammlung von Volksliedern sowie für ihr Verständnis der Volkssprache in sämtlichen Schattierungen von fundamentaler Bedeutung war.
Die entscheidende Vertiefung ihrer Wissenschaftsausrichtung ergab sich für die Brüder Grimm während ihrer Studienzeit an der Universität Marburg. Was hier an Persönlichkeiten akademischer Lehrer und, mit diesen verbunden, an nachhaltigen Lektüreerlebnissen auf sie einströmte, waren vor allem Friedrich Karl von Savigny, ihr hauptsächlicher Lehrer und späterer lebenslanger Freund, Ludwig Tieck, der romantische Dichter und Bearbeiter mittelalterlicher Poesie – besonders der »Minnelieder aus dem Schwäbischen Zeitalter« (Berlin 1803) –, und Johann Jacob Bodmer, der erste Herausgeber der mittelhochdeutschen Minnesänger im 18. Jahrhundert.
Savignys Einfluss auf die Brüder Grimm lässt sich, neben dem schon 1805 einsetzenden Briefwechsel, vor allem durch Jacobs Nachschrift der Vorlesung »Anleitung zum eigenen Studium der Jurisprudenz« nachweisen. Als Begründer der historischen Schule wandte sich Savigny gegen das Vernunftrecht, dem er das geschichtlich gewordene Gewohnheitsrecht als Ausfluss des Volksgeistes gegenüberstellte. Nicht anders sollten später die Brüder Grimm selbst verfahren, als sie die sprachlichen und literarischen Erscheinungen, die verschiedenen grammatischen Formen und poetischen Motive bis zu deren Wurzeln verfolgten. Für sie bedeutete die deutsche und germanische Philologie nichts anderes, als die Geschichte der germanischen und deutschen Volksgemeinschaft über den Weg ihrer eigenen Sprache und Literatur und aus ihrem Sprachgeist heraus zu begreifen.
Durch Savigny lernten Jacob und Wilhelm 1804 den Romantiker Clemens Brentano und etwas später, 1807, Achim von Arnim kennen, mit denen sich eine gelegentliche Zusammenarbeit für die Sammlungen von Volksliedern, Märchen und Sagen ergab. Die Brüder Grimm übernahmen dabei jedoch eher eine zuarbeitende Funktion, indem sie den beiden Dichtern einige Beiträge für deren Publikation »Des Knaben Wunderhorn, Alte deutsche Lieder« (1806–1808) überließen. Am Ende ihres Studiums 1806/07 verfügten die Brüder aufgrund ihrer fleißigen Arbeit und antiquarischen Interesses über bedeutende eigene Sammlungen. Sie hatten ihre Marburger Universitätsjahre weniger auf das engere Fachstudium der Rechtswissenschaften ausgerichtet, sondern vielmehr zur Grundlegung einer umfassenden allgemeinen, insbesondere philologisch-literarischen Bildung genutzt.
BAHNBRECHENDE WERKE DER KASSELER JAHRE
Als erste reiche Schaffensperiode der Brüder Grimm dürften die Kasseler Jahre von 1808 bis 1829 gelten, in denen sie nach verschiedenen Reisen und unterbrochen durch Jacobs kurze diplomatische Tätigkeit von 1813 bis 1815 in erster Linie als Bibliothekare in hessischem Staatsdienst standen – seit 1816 gemeinsam an der Kasseler Bibliothek im Museum. In diesen Jahren legten die Brüder einzeln oder gemeinsam eine Vielzahl an Buchpublikationen und Beiträgen in
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