Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
flossen.
Im April 1819 lernte Byron auf einer Soirée die neunzehnjährige Gräfin Teresa Guiccioli kennen, die mit dem beinahe 40 Jahre älteren Grafen Alessandro Guiccioli verheiratet war. Teresa wurde nach Augusta zur zweiten großen Liebe Byrons und war in den Jahren 1819 bis 1823 die wichtigste Bezugsperson für ihn. Ihr reiste er im Juni 1819 nach Ravenna nach, wo ihm ihr Mann in seinem Palast eine ganze Etage überließ. Der Dichter wurde zu einem anerkannten »Cavaliere Servente«, dem offiziellen Geliebten einer italienischen Adligen. Durch Teresa Guicciolis Familie, insbesondere durch ihren Vater Graf Gamba und ihren Bruder Pietro, kam Byron mit dem italienischen Widerstand in Kontakt, den er im Folgenden finanziell unterstützte.
DON JUAN UND DER LITERARISCHE ZIRKEL IN PISA
Während des Italienaufenthaltes schrieb Byron sein aus heutiger Sicht bedeutendstes Werk, das fragmentarisch gebliebene Versepos »Don Juan«. In sechzehn Gesängen mit insgesamt über 15000 Versen erlebt man darin einen völlig neuen Byron. Während der Dichter im »Ritter Harold« noch angesichts der Unvollkommenheit der Welt in tiefe Melancholie verfällt, wird »Don Juan« zur spöttischen, aber doch wohlwollenden Satire menschlicher Schwächen. In beinahe alltäglicher Sprache und mit bewusst gewagten, komischen Reimen beschreibt Byron die Abenteuer seines Helden und schreckt auch vor sonst tabuisierten Themen nicht zurück. So kritisiert er moralische, religiöse und politische Heuchelei und macht sich über soziale Normen und die Sexualmoral seiner Zeit lustig, insbesondere auch über die Institution Ehe. Immer wieder schweift er ab, greift in bissigen Seitenhieben seine Zeitgenossen an und gestaltet verschiedene Personen und Situationen nach eigenen Erlebnissen. So schrieb er seinem Freund Hobhouse, dass im »Don Juan« nichts erfunden sei, sondern vielmehr alle Episoden entweder von ihm selbst erlebt oder ihm von Freunden in Erzählungen zugetragen wurden. Der von Byron bewunderte Goethe, dem der Dichter sein heute fast vergessenes Werk »Sardanapalus« widmete, bezeichnete den »Don Juan« als »grenzenlos geniales Werk« und übersetzte Teile daraus ins Deutsche.
Ab November 1821 lebte Byron mit Teresa, die ihren Mann inzwischen offiziell verlassen hatte, in der Nähe der Shelleys in Pisa; dort setzte sich die literarisch anregende Freundschaft mit Shelley fort. Doch der Freund ertrank im Juli 1822 bei einer Bootsfahrt im Meer. Zusammen mit mehreren Freunden verbrannte Byron am 16. August die angespülte Leiche Shelleys in einem von ihm selbst so bezeichneten »heidnischen Ritual« am Strand von Viareggio. Wenig später zog Byron, durch die österreichische Besatzungsmacht dazu gezwungen, nach Genua. Trotz der Anwesenheit von Teresa Guiccioli, die versuchte, den Geliebten zu halten, konkretisierten sich lang gehegte Pläne, den griechischen Freiheitskampf gegen die türkische Besatzung zu unterstützen.
GRIECHENLAND
Im Juli 1823 brach Byron mit einem eigens ausgerüsteten Schiff und einigen Dienern nach Griechenland auf. Er verbrachte einige Monate auf den Ionischen Inseln, wo er mit Vertretern der verschiedenen rivalisierenden Fraktionen im mittlerweile offen geführten Unabhängigkeitskampf zusammentraf, deren Führer um die Gewinnung eines so berühmten und auch finanzkräftigen Verbündeten wetteiferten. Byron entschied sich schließlich für den Prinzen Alexander Mavrocordatos, den späteren griechischen Premierminister, da er ihm am ehesten zutraute, die Griechen zum gemeinsamen Kampf vereinen zu können. Dessen Basis in Mesolongion, an der nördlichen Seite der Meerenge zwischen dem Festland und der Halbinsel Peloponnes gelegen, erreichte Byron im Januar 1824, nachdem es ihm erfolgreich gelungen war, die türkische Seeblockade zu durchbrechen. In Mesolongion empfing man ihn mit militärischen Ehren. Er fand sich hier jedoch zur Untätigkeit verdammt, da wegen des schlechten Wetters und der Zerstrittenheit der griechischen Widerstandsgruppen kein sinnvoller Einsatz der von ihm finanzierten Truppen möglich war. In dieser Lage verfiel der 36-Jährige in Lethargie. Er bezeichnete sich als vorzeitig gealtert, beklagte seine schütter und grau gewordenen Haare, seine Korpulenz und den Verlust seiner männlichen Schönheit. Todesahnungen und Lebensüberdruss quälten ihn. Seinem Arzt gestand er kurz vor seiner letzten Krankheit: »Glauben Sie, ich sehnte mich nach Leben? Ich habe es gründlich satt und werde die
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