Worte bewegen die Welt
Bedeutung; für Friedrich Nietzsche war Thukydides der »echteste« Grieche.
Das abgebildete Papyrusfragment eines antiken Geschichtsbuches setzt vermutlich den Text des Thukydides fort. Mehrere Bruchstücke dieses Werkes tauchten seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Oxyrhinchos in Oberägypten auf.
ANLÄSSE UND URSACHEN
Scharfsinnig hat Thukydides erkannt, wie es überhaupt zu dem Krieg zwischen Athen und Sparta kommen konnte. Dabei half ihm die von ihm entwickelte, grundlegende Unterscheidung zwischen den Anlässen und den Ursachen. Wirklich entscheidend war nach seiner Analyse »das Wachstum Athens, das die erschreckten Spartaner zum Kriege zwang«. Thukydides sah ganz klar, dass die Wurzeln des Konflikts in dem 50 Jahre zuvor errungenen Sieg über die Perser lagen. Bis dahin war Sparta die unangefochtene Führungsmacht in Griechenland gewesen. Da die Athener aber mit ihrer Flotte wesentlich zu der Niederlage der Perser beigetragen hatten, wurden ihre Ansprüche und ihr Einfluss in der griechischen Staatenwelt immer größer. Um ihr Gesicht, auch und vor allem bei den eigenen Bündnispartnern, zu wahren, mussten die Spartaner aktiv werden. Weil er diese Hintergründe so klar durchschaute, behandelte Thukydides daher nicht nur die 27 Jahre des Peloponnesischen Krieges, sondern auch jene 50 Jahre, in denen sich der machtpolitische Gegensatz zwischen den Kontrahenten Athen und Sparta ausbildete.
DIE BEDEUTUNG DER REDEN
An seine eigene Forderung, historisch genau zu arbeiten, hat sich Thukydides selbst in vorbildlicher Weise gehalten. Für den heutigen Leser bisweilen ermüdend, reiht er bei der Beschreibung des Krieges eine fast unübersehbare Anzahl von Fakten aneinander und erwähnt in seinem Streben nach Perfektion auch Ereignisse, die man für entbehrlich halten möchte. Doch aufgewogen wird dies durch eine ganze Reihe von Passagen, die als Höhepunkte der Geschichtsschreibung schlechthin gelten. Dazu gehören insbesondere die vielen wörtlich wiedergegeben Reden von Politikern und Feldherrn. Von anderen Historikern der Antike in der Regel als bloße Stilelemente in die Darstellung eingefügt, dienen sie bei Thukydides vielmehr als wirkliche geschichtliche Dokumente. Dabei ist er ehrlich genug zuzugeben, dass es nicht leicht war, die wörtliche Genauigkeit wiederzugeben »sowohl für mich, wo ich selber zuhörte, wie auch für meine auswärtigen Gewährsleute«. In einer etwas gewundenen, aber salomonischen Formulierung erhebt er den Anspruch, die Reden »in möglichst engem Anschluss an den Gesamtsinn des wirklich Gesagten« zitiert zu haben. Zu den rhetorischen Glanzstücken gehört die Rede, die Perikles im ersten Kriegswinter zu Ehren der gefallenen Athener gehalten hat. Sie wird von Thukydides, aus dem Munde des von ihm verehrten Perikles, zu einem einzigen Loblied auf den Staat und die Kultur Athens gestaltet.
Das Werk des Begründers der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung ist ein Torso geblieben. Die letzten Jahre des Krieges hat Thukydides nicht mehr in seine Darstellung einbringen können. Die Erzählung reicht nur bis zum Jahr 411 v. Chr. und bricht dort mitten im Satz ab. Die wahrscheinlichste Erklärung dürfte sein, dass der Autor vor Vollendung des Werkes gestorben ist. Wie er seine letzten Lebensjahre verbracht hat, ist wiederum nur sehr unzureichend überliefert. Nach der Kapitulation Athens im Jahre 404 v. Chr. durfte er, 20 Jahre nach seiner Verbannung, vermutlich wieder in seine Heimatstadt zurückkehren. Politisch trat er nicht wieder in Erscheinung; möglicherweise war er mit der endgültigen Abfassung und der Redaktion des Werkes über den zu Ende gegangenen Krieg beschäftigt.
DIE » GESCHICHTE DES PELOPONNESISCHEN KRIEGES«
Thukydides gelang in seinem unter dem – vermutlich nicht von ihm stammenden – Titel »Geschichte des Peloponnesischen Krieges« erschienenen monumentalen, wenngleich unvollendeten Werk eine unparteiische Darstellung der historischen Vorgänge, die weit über einen chronologischen Bericht hinausgeht.
Die Schilderung der Ereignisse und ihrer Vorgeschichte ist überall auf Tatsachen bedacht, verwendet Augenzeugenberichte, Ergebnisse aus sprachlichen, ethnologischen sowie archäologischen Befunden und zieht auch Urkunden heran. Die Hintergründe des Geschehens entwickelt der Autor in den Reden der Hauptakteure, die er wortgetreu wiederzugeben versucht.
Thukydides gilt damit als Begründer der politischen Geschichtsschreibung. Statt der Götter bestimmen
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