Worte bewegen die Welt
Zustände nicht aus seinen Stücken ausgeblendet, etwa um den Menschen Ablenkung von der harten Realität des Kriegsalltags zu verschaffen. Ganz im Gegenteil hat er den selbst miterlebten Krieg zum Hauptthema seiner Werke gemacht. Aristophanes wurde auf diese Weise zum Gründervater der »politischen« Komödie in dem Sinne, dass er sich mit Stoffen befasst hat, die die »Polis«, wie die Griechen den Staat bezeichneten, betrafen. Das zeigt sich gleich in dem ersten erhaltenen Werk, den »Acharnern«. Dass er damit den ersten Preis bei den Lenäen gewann, zeigt, wie sehr er den Nerv und die Empfindungen des Publikums und der Juroren getroffen hatte. Schon hier bediente er sich auch jener dramaturgischen Techniken, die sein gesamtes Schaffen auszeichneten. So war es eine seiner komödiantischen Spezialitäten, die Helden seiner Stücke mit grotesken oder utopischen Ideen akute und den Zuschauern wohlvertraute Missstände in Politik und Gesellschaft beseitigen zu lassen.
In den »Acharnern« ist dies ein einfacher Bauer namens Dikaiopolis, was wörtlich übersetzt »gerechter Bürger« heißt und die Gewohnheit des Dichters illustriert, den Akteuren beziehungsreiche Namen zu geben. In dieser im sechsten Jahr des Peloponnesischen Krieges aufgeführten Komödie wird Dikaiopolis zum Sprachrohr der Kriegsmüdigkeit, die sich inzwischen auch in Wirklichkeit bei den von mehreren Beutezügen der Spartaner und einer verheerenden Seuche geplagten Bewohnern von Athen eingestellt hatte. Enttäuscht von den Politikern, schließt der Bauer einen privaten Frieden mit den Feinden und eröffnet auf der Basis dieser vertraglichen Übereinkunft in Athen eine eigene Handelszone. Er versteht es sogar, die kriegerischen Köhler des Dorfes Acharnai (daher der Name des Stückes) für seine Initiative zu gewinnen.
DIE KOMÖDIE
Die Komödie ist neben der Tragödie die wichtigste Gattung des europäischen Dramas und bezeichnet die bühnenmäßige Gestaltung komischer Ereignisse mit heiterem Ausgang. Die formale Variationsbreite reicht von der Komödie als Schöpfung spielerischer Poesie und Fantasie über die Komödie als formstrenges Gesamtkunstwerk bis hin zu den derben Formen der Groteske, der Farce sowie der Posse und dem modernen Sketch. Die Thematik ist ebenso variabel und reicht von der Darstellung gesellschaftlicher und politischer Zustände in kritischer oder satirischer Darstellung bis zum erotischen Privatleben, von der Utopie als Gegenbild der Wirklichkeit bis zur Entlarvung des Absurden in der alltäglichen Existenz.
Die Ursprünge der Komödie liegen im Fruchtbarkeitskult, den Dionysosfeiern mit schwärmenden Umzügen im Frühjahr sowie derben Scherzen und groben verbalen Angriffen auf Einzelne im Publikum, hinzu kamen Streitszenen und Szenenfolgen. Seit 486 v. Chr. wurden die Feiern staatlich organisiert.
Die attische Schale zeigt Dionysos, den Gott der Fruchtbarkeit und Ekstase, umgeben von seinem Gefolge, den Satyrn (um 490 v. Chr.; Paris, Bibliothèque Nationale).
Dieses komödiantisch gestaltete Plädoyer für den Frieden verbindet Aristophanes mit wirkungsvollen Techniken der Darstellung, die auch alle seine folgenden Stücke prägten. Kennzeichnend ist insbesondere, neben dem Agieren einer weitaus größeren Anzahl von Schauspielern als in der Tragödie – diese kam mit zwei bis drei Akteuren aus –, die Rolle des aus insgesamt 24 Personen zusammengesetzten Chores. Virtuos ging er mit dem die ältere attische Komödie insgesamt auszeichenden Stilmittel der »Parabase« (wörtlich das »Danebentreten«) um. Mitten im Stück wandte sich der Chor oder der Chorführer dem Publikum zu, um einige meist spöttische Kommentare in eigener Sache abzugeben, um seine Meinung über den Dichter kundzutun und um die Handlung zu erläutern. Diese Parabase war streng reglementiert und bestand aus insgesamt sieben einzelnen Teilen.
In den im folgenden Jahr 424 v. Chr. aufgeführten »Rittern« präsentierte sich der nun bereits etablierte Dichter Aristophanes besonders streitbar. Zielscheibe seiner beißenden Kritik war in diesem Stück Kleon, der nach dem Tod des Perikles führende Politiker in Athen und gegenüber Friedensinitiativen resistente Verfechter eines harten Kriegskurses. Ihn hatte sich Aristophanes offenbar bereits durch das Stück »Die Babylonier« zum Feind gemacht, in der er die Politik Athens gegenüber den Verbündeten kritisiert hatte. Jedenfalls beschwerte sich Kleon damals darüber, der Autor habe auf der
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