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Worte bewegen die Welt

Worte bewegen die Welt

Titel: Worte bewegen die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
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morgens sehr viele Verse zu ersinnen und zu diktieren, dann aber den ganzen Tag hindurch sie zu überarbeiten und so auf sehr wenige zusammenzustreichen, wobei er gar nicht so übel sagte, er gebäre sein Gedicht nach Art einer Bärin und bringe es durch Lecken erst in Form.«
    Vordergründig erscheinen die »Georgica« als ein Lehrgedicht über die Landwirtschaft in der Tradition eines Hesiod, der im 7. Jahrhundert v. Chr. mit seinem »Werke und Tage« Maßstäbe gesetzt hatte. Sie sind in vier Teile aufgegliedert, die das Landleben in den Bereichen Ackerbau, Weinbau, Viehzucht und Bienenzucht anpreisen. Doch haben die »Georgica« noch eine spezielle Botschaft: So, wie der Bauer hart arbeiten muss, wie er immer wieder um seine Existenz zu kämpfen hat, am Ende sich aber durch Fleiß und Disziplin in naturverbundener und friedlicher Weise durchsetzt, so sind das menschliche Leben und die menschliche Kultur überhaupt beschaffen.
    Nach der Fertigstellung der »Georgica« durfte Vergil seinem Gönner Octavian aus dem Werk vorlesen, als dieser sich zur Genesung von einem Halsleiden im kampanischen Atella aufhielt. Dieser hatte inzwischen seinen Rivalen Antonius in der Schlacht von Aktium (31 v. Chr.) ausgeschaltet und war alleiniger Herr im Imperium Romanum geworden. Vergil las, wie Donatus berichtet, sein Werk an vier Tagen hintereinander vor, »wobei Maecenas ihn ablöste, sooft er selbst infolge der Überanstrengung seiner Stimme unterbrechen musste«. Ohne Zweifel beschleunigten die Verse des Dichters den Erholungsprozess des Patienten, entsprachen sie doch so ganz seiner Vorstellung vom bescheidenen, hart arbeitenden Römer. Vergil hatte außerdem nicht vergessen, die politische Erneuerungspolitik seines Förderers ins rechte Licht zu rücken und direkt anzusprechen. Gefallen hat Octavian sicher auch eine bis heute berühmte Lobrede auf Italien, die sich im zweiten Teil der »Georgica« findet und mit hymnischen Worten die Unvergleichbarkeit des Stammlandes der Römer mit berühmten Regionen der Welt preist: »Aber weder das Land, das walddurchrauschte der Meder, noch des herrlichen Ganges, der goldmitwirbelnde Hermus, wagen um Ruhm mit Italien Streit, nicht Baktra noch Indien, nicht Arabiens Inselgestad, umduftet von Weihrauch.«
    DAS RÖMISCHE NATIONALEPOS
    Nach dem Erfolg der »Georgica«, 29 v. Chr., nahm Vergil noch im selben Jahr sein drittes und größtes Werk in Angriff, die »Aeneis«, die zum Nationalepos der Römer werden sollte. In zwölf Büchern schildert der Dichter die Irrfahrten des Äneas nach dem Untergang seiner Heimatstadt Troja bis zu seiner Ankunft in Italien, wo er zum Stammvater der Römer wird. Die ersten sechs Bücher beschreiben, orientiert an Homers »Odyssee«, die Reisen des Helden Äneas, die ihn unter anderem auch nach Karthago führen. Dort verliebt sich die Königin Dido in ihn, die – als Äneas sie verlässt – Selbstmord begeht. Bei dieser Episode hat sich Vergil die dichterische Freiheit genommen, die historischen Kriege der Römer gegen die Karthager im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. mit diesen Motiven mythisch zu begründen. Der zweite Teil der »Aeneis« greift die Thematik der homerischen »Ilias« auf und erzählt die kriegerischen Abenteuer, die der Held nach seiner Ankunft in Italien zu bestehen hat. Im Mittelpunkt steht dabei der Kampf des Äneas gegen Turnus, den König der Rutuler, der sich dem Trojaner widersetzt und schließlich im Zweikampf getötet wird. Äneas heiratet Lavinia, die Tochter des Latinerkönigs Latius, und herrscht nun über die vereinten Völker der Trojaner und Latiner.
    VERGILS »AENEIS«
    Das 29 v. Chr. begonnene große Epos »Aeneis« handelt von den Ursprüngen Roms und schildert das Leben des Äneas, der nach dem Fall Trojas mit seiner Schar die neue, von den Göttern bestimmte Heimat Latium findet. In schweren Kämpfen mit den Italikern erringt er den Sieg. Die Vereinigung von Trojanern und Latinern – von Kultur und Stärke – schafft die Voraussetzung für die Entstehung des Volkes der Römer.
    Die »Aeneis« knüpft in Inhalt und Gestalt an Homer an, sie vereinigt alle Elemente des mythologischen und des historischen Epos. Darüber hinaus unternimmt sie eine Deutung der weltgeschichtlichen und sittlichen Sendung Roms, gesehen aus der Perspektive der augusteischen Ordnung, in der Vergil die Vollendung der Geschichte sah.
    Die »Aeneis« errang bald die Geltung und eine ähnliche Funktion, wie sie die Werke Homers für die Griechen

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