Worte bewegen die Welt
hatten: Sie wurde Schulbuch und Maßstab für alle folgenden römischen Epiker und Grundlage für die religiöse und politische Orientierung der Römer. Der Holzschnitt zeigt die Belagerung Trojas und stammt aus einer Straßburger Ausgabe der »Aeneis« von 1502.
Nicht nur die Dramaturgie des Geschehens und die kunstvolle Komposition waren dafür verantwortlich, dass mit der »Aeneis« der Dichter Vergil endgültig in den Olymp der größten Schriftsteller der Antike gehoben wurde. Der Erfolg ist auch damit zu erklären, dass dieses Epos eine Fülle von aktuellen Bezügen enthielt, sodass der Stoff, entsprechend der Absicht Vergils, als Vorgeschichte der Gegenwart verstanden wurde. Während der Abfassung des Werkes hatte Augustus, wie Octavian seit 27 v. Chr. genannt wurde, den römischen Staat neu geordnet und eine Monarchie begründet, die sich bewusst an den alten Werten und Traditionen des Römertums orientierte. Die »Aeneis« war in dieser Hinsicht die epische Fundierung der Herrschaft des Augustus. Diese wird von Vergil ausdrücklich als Zielpunkt der römischen Geschichte, die mit Äneas begonnen hatte, gekennzeichnet. Dies ist etwa dort der Fall, wo Äneas seinen toten Vater Anchises trifft und dieser ihm die Zukunft des römischen Volkes voraussagt, als deren Vollender Augustus erscheint. Daher ist es nicht erstaunlich, dass Kaiser Augustus der »Aeneis« größte Sympathien entgegengebracht hat. Immer wieder ließ er sich, noch während der Phase der Entstehung, aus dem Werk vorlesen.
PERFEKTIONIST
Offenbar legte Vergil viel Wert auf Perfektion. In seinem Testament fand man die Bestimmung, man solle alle nicht fertig gestellten Schriften vernichten. Auf Anweisung des Augustus wurde dieser Wunsch in Bezug auf die »Aeneis« nicht erfüllt. Zu wichtig war dem Kaiser dieses Epos als Hilfe bei seinem Kreuzzug für die moralische Erneuerung des römischen Volkes. Varius, ein Freund des Verstorbenen, erhielt den Auftrag, die vom Dichter nicht vollendeten Passagen zu bearbeiten und das Werk als Ganzes zu veröffentlichen. So hat sich gegen den Wunsch des Verfassers jenes Buch erhalten, das schon in der Antike zur Schullektüre geworden ist.
TOD IN BRUNDISIUM
Als Vergil im Jahre 19 v. Chr. starb, war die Arbeit an der »Aeneis« noch nicht beendet. Der Dichter lebte inzwischen, seinem Status entsprechend, in sehr angenehmen Verhältnissen. Aufgrund der Zuwendungen seiner Freunde, so berichtet Donatus, hatte er ein Vermögen von fast 10 Millionen Sesterzen. Er besaß ein Haus in Rom, lebte aber meistens in der Abgeschiedenheit Siziliens und Kampaniens. Nachdem er zehn Jahre lang an der »Aeneis« gearbeitet hatte, beschloss er, nach Griechenland zu reisen und dort das Epos zum Abschluss zu bringen. Dort angekommen, erkrankte er schwer und wurde von dem aus dem Orient zurückkehrenden Augustus mit nach Italien genommen. Kurz nach der Ankunft in Brundisium (heute Brindisi) ist Vergil am 21. September 19 v. Chr., im Alter von knapp 51 Jahren, gestorben. Seine letzte Ruhestätte fand er in Neapel, wo er einst die Philosophie des Epikur studiert hatte.
›Mantua gab mir das Leben, Kalabrien nahm es, Neapel hält mich fest. Ich sang von Hirten, Landbau und Kämpfen.‹
Inschrift auf Vergils Grab
HORAZ
DER »GÖTTLICH INSPIRIERTE SEHER«
Horaz, aus kleinen Verhältnissen stammend, gewann die Gunst des Maecenas und wurde zur Zeit des Kaisers Augustus zu einem der prominentesten Dichter Roms. Seine Werke, die dauerhaft gültige Einsichten in das menschliche Leben vermitteln, haben bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Über allem aber steht ein Lebensmotto, dessen Umsetzung Horaz auch für sich selbst beanspruchen kann: »Carpe diem« – »Nutze den Tag«
.
8. 12. 65 v. Chr.
Geburt in Venusia
42 v. Chr.
Niederlage von Philippi
42–38 v. Chr.
Schreiber in Rom
seit 38 v. Chr.
Förderung durch Maecenas
27. 11. 8 v. Chr.
Tod
Als Quintus Horatius Flaccus am 8. Dezember 65 v. Chr. in dem kleinen Ort Venusia (heute Venosa) in Apulien geboren wurde, ahnte noch niemand, dass aus ihm einmal ein gefeierter Dichter werden würde. Das Milieu, in dem er das Licht der Welt erblickte, versprach alles andere als eine Aussicht auf eine goldene Zukunft. Sein Vater war ein ehemaliger Sklave, hatte also einmal ganz unten auf der gesellschaftlichen Leiter gestanden. In seiner Tätigkeit als unfreier Gemeindearbeiter war er so erfolgreich gewesen, dass er sich in der Lage sah, sich freizukaufen. Nach der
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